Racheherz - Roman
um derentwillen er nach Las Vegas gekommen war.
Aber hier, sechzehn Monate später und zwölf Seiten weiter hinten in dem Album, stieß er auf etwas viel Erstaunlicheres und der wahre Schlüssel lag vor ihm: Ismay Clemm, die Kardiologie-Schwester in den Fünfzigern, die nicht nur bei der myokardialen Biopsie assistiert, sondern auch im Anschluss an die Untersuchung wiederholt nach ihm gesehen hatte, als er auf der Liege im Vorbereitungsraum geschlafen hatte, bis die Nachwirkungen des Beruhigungsmittels abgeklungen waren.
Dort hatte er zum ersten Mal die Träume gehabt, die ihn eine Zeit lang heimgesucht hatten: der schwarze See, das verwunschene Schloss, die Stadt im Meer. Nicht zuletzt diese wiederkehrenden Alpträume - und die Paranoia, die sie verstärkten, der Verdacht, unter Drogen gesetzt oder vergiftet zu werden, den sie entfacht hatten - hatten ihn dazu gebracht, diese erste Reise nach Las Vegas überhaupt zu unternehmen, während er darauf gewartet hatte, von Dr. Gupta die Ergebnisse der Biopsie zu erfahren.
Obwohl Ryan jetzt ohne jeden Zweifel wusste, dass Ismay Clemm der Wendepunkt war, an dem er sich von der Verwirrung ab- und der Klarheit zuwenden konnte, blätterte er
den Rest des Ringbuchs durch und musterte auch die übrigen Gesichter. Er brauchte die Gewissheit, dass er jetzt nicht noch einmal denselben Fehler machte, der ihm unterlaufen war, als er die voreilige Schlussfolgerung gezogen hatte, Teresa würde der Schlüssel sein, der die Tür zur Wahrheit aufschloss.
Die restlichen Gesichter waren die von Fremden. Also wandte er sich wieder der Krankenschwester zu. Nicht Ismay, ganz gewiss nicht. Sondern Ismays Ebenbild.
Wenn diese Vorfälle ein Thema hatten, dann waren es eineiige Zwillinge. Samantha und Teresa. Lily und ihre geistesgestörte Schwester mit dem Klappmesser.
Ryan hörte ein Pochen, aber das war nur Zane oder Sienna beim Abklopfen einer Wand nach einem Hinweis auf ein Versteck in einem der anderen Räume.
Er hatte keine Ahnung, in welcher Stadt Ismay Clemm lebte. Da ihr Name ungewöhnlich war, benutzte Ryan sein Handy, um sich einen neuen Informationsdienst zunutze zu machen, der Einträge nicht nach Städten, sondern nach Vorwahlen suchte. Doch weder unter der 949 noch unter der 714 konnte er eine Nummer für Ismay finden, was aber auch bloß heißen konnte, dass sie eine Geheimnummer hatte.
Dr. Gupta um vier Uhr an einem Sonntagnachmittag zu erreichen, um ihn nach Schwester Clemm zu fragen, würde schwierig sein. Sich an einem Wochentag mit ihm in Verbindung zu setzen, wäre aber vermutlich auch nicht einfacher.
Vor einem Jahr, nachdem er herausgefunden hatte, dass sein Patient sich seit mehr als einem Monat von Dr. Dougal Hobb betreuen ließ, hatte Dr. Gupta Ryans Unterlagen an Hobb geschickt und Ryan eine kurze Nachricht zukommen
lassen, in der er seine Betroffenheit darüber zum Ausdruck brachte, dass er nicht eher über diese Entscheidung informiert worden war. Es stand nicht zu vermuten, dass er einen Anruf entgegennehmen oder zurückrufen würde.
Als eine Folge all dieser Verwicklungen hatte Ryan auch den Internisten gewechselt. Er war nicht mehr zu Forry Stafford gegangen, sondern zu Dr. Larry Kleinman, der eine Bestellpraxis unterhielt.
Er spielte mit dem Gedanken, Kleinman unter der Nummer anzurufen, unter der man ihn rund um die Uhr erreichen konnte, um zu fragen, ob der Arzt bereit sei, im Krankenhaus den Namen der anderen kardiologischen Krankenschwester in Erfahrung zu bringen, die Gupta bei seiner Biopsie assistiert hatte. Aber als er das Porträt von Ismays toter Zwillingsschwester anstarrte, fiel ihm der Name der hageren Krankenschwester wieder ein, die weniger Körperfett als eine Grille gehabt hatte. Whippit. Nein. Whipset. Vorname Kara oder Karla.
Unter den Whipsets, die er unter der Vorwahl 949 fand, hatte eine einen Vornamen, der Ähnlichkeit mit seiner Erinnerung hatte. Er erkannte ihn sofort wieder: Kyra.
Er wählte und sie meldete sich beim dritten Läuten.
Nachdem er ihr erklärt hatte, wer er war, und sich dafür entschuldigt hatte, dass er sie in ihrer Freizeit und noch dazu an einem Sonntag störte, sagte Ryan: »Ich hatte gehofft, Sie wüssten vielleicht, wie ich mich mit Ismay Clemm in Verbindung setzen kann.«
»Wie bitte? Mit wem?«
»Der anderen Krankenschwester, die an jenem Tag bei der Untersuchung assistiert hat.«
»Der anderen Krankenschwester?«, sagte Kyra Whipset.
»Ismay Clemm. Ich muss ganz dringend mit ihr reden.«
»Ich
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