Rachekind: Thriller (German Edition)
Hanna hörte an seinen unregelmäßigen Schritten, dass er sich bemühte, auf keines der herumliegenden Teile zu treten.
Lilous Lachen füllte mit einem Mal den Flur. Hanna drehte überrascht ihren Kopf. Stein schnitt Grimassen. Lilou kicherte. Dann versteckte sie den Kopf an Hannas Schulter, als schämte sie sich, und lugte sogleich wieder hervor, um wie ein übermütiges Ferkel zu quieken. So fröhlich hatte Hanna sie seit Langem nicht mehr erlebt.
Im Wohnzimmer sah Stein sich kurz um, bevor er sich in Steves Sessel setzte. Hanna stellte Lilou auf dem Boden ab. Lilou betrachtete Stein, als sei er ein exotisches Tier, und verschwand dann brabbelnd im Flur.
»Also, was kann ich für Sie tun? So wie ich Ihre Mail verstanden habe, geht es nicht mehr nur um Steve, sondern auch um einen Unbekannten, der Ihnen nachstellt.«
»Er hat versucht, meine Tochter zu entführen. Schon zweimal. Und er hat Steve erpresst.« Sie nahm auf dem Sofa Platz und schob ihm einen Ausdruck von Robs Mail zu. Stein las ihn durch und legte das Blatt dann mit einem kaum merklichen Nicken auf den Tisch zurück.
»Außerdem möchte ich, dass Sie etwas über eine Frau herausfinden. Steve hat sich womöglich vor Kurzem mit ihr getroffen. Er ist in einem Lokal gesehen worden. Ich glaube, es ist dieselbe Frau, von der ich gestern einen Liebesbrief gefunden habe. Sie heißt Rose.«
»Glauben Sie, dass er Sie mit dieser Rose betrogen hat?«
»Der Brief ist vier Jahre alt.«
»Vier Jahre? Wieso denken Sie dann, dass es sich bei der Frau um die Schreiberin des Briefes handelt?« Wie aus dem Nichts hatte er plötzlich eine Mala in der Hand und ließ sie durch die Finger gleiten. »Könnte er Sie wegen dieser Rose verlassen haben?«
Hanna antwortete nicht. Dieselbe Frage hatte sie sich seit gestern Abend sicher tausendmal gestellt. »Ich möchte, dass Sie diese Rose finden. Rose ist Teil seiner Vergangenheit und Rob ebenfalls. Rose und Steve waren liiert. Sie kann uns vielleicht mehr über Rob erzählen. Und wenn wir Glück haben, weiß sie, worauf Rob in seiner Mail anspielt. Womit er Steve erpresst hat. Von welchem Geld er spricht.«
Stein vollführte eine schnelle Bewegung mit dem Handgelenk, und die Mala war verschwunden. »Kann ich den Brief sehen?«
Hanna nahm ihn aus der Schatulle und reichte ihn Stein. Er faltete ihn auseinander und las. Dann legte er ihn wieder zusammen, langsam und sorgfältig, als halte er ein wertvolles Kunstwerk in den Händen. »Ich würde ihn gern mitnehmen.«
Sie nickte.
»Gibt es sonst noch Informationen zu dieser Rose?« Er steckte den Brief in seine Innentasche. Faltete dann den Ausdruck von Robs Mail ebenso sorgfältig und packte ihn dazu.
Sie schüttelte den Kopf. Seinem Gesicht sah sie an, dass er keine andere Antwort erwartet hatte.
»Hat Steve Feinde?«
»Nicht dass ich wüsste. Abgesehen von diesem Rob natürlich.« Hanna nahm aus der Schatulle das Foto, auf dem sie Rob vermutete.
»Und Sie glauben, er will Lilou entführen, um Lösegeld zu erpressen.«
Sie reichte ihm das Foto. »Ich weiß es nicht. Aber ich könnte mir vorstellen, dass er realisiert hat, dass Steve weg ist, und jetzt versucht, auf andere Art an sein Geld zu kommen. Von wem er das bekommt, ist ihm bestimmt egal.«
Stein gab ihr das Foto zurück. »Sind Sie sicher, dass das Rob ist?«
»Nein, aber ich halte es für möglich.«
»Fällt Ihnen sonst jemand ein, mit dem Steve Streit hatte?«
»Meine Eltern«, entfuhr es ihr.
Er schien über ihre Antwort keineswegs erstaunt zu sein. »Gab es einen bestimmten Grund?«
»Er ist ihnen nicht gut genug.«
Stein verschränkte die Finger vor seinem Gesicht, legte das Kinn auf dem ausgestreckten Daumen ab und sah sie unverwandt an, als wolle er in ihre Gedanken eintauchen, um wie ein Goldgräber nach den Informationen zu schürfen, die sie nicht bereit war herauszugeben. Sie unterbrach den Blickkontakt, stand auf, durchquerte das Wohnzimmer und sah nach Lilou. Sie spielte noch immer im Flur. Neben sich einen Berg Handschuhe und Schals unterzog sie die Bügel von Steves Sonnenbrille einem Stresstest. Hanna ging zum Sofa zurück.
»Wie ist der Kontakt zu Ihren Eltern?«, fragte Stein, als sie wieder saß.
»Es gibt keinen. Sie haben jeden Kontakt abgebrochen und mich enterbt.«
»Das ist hart.«
»Ich brauche ihr Geld nicht.« Hanna verschränkte ihre Arme vor dem Oberkörper und presste sie unter ihre Brust.
»Es ist trotzdem hart. Geschwister?«
Hanna schüttelte den Kopf.
»Man
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