Rachekind: Thriller (German Edition)
Britts Blick zum Fenster und spürte, wie die Angst auch von ihr selbst Besitz ergriff. Sie lauschte auf Geräusche. War da jemand? Hörte sie ein Scharren?
Das Telefon klingelte, und Britt schrie leise auf. Dann kicherte sie hysterisch. »Huch, siehst du, ich bin schon ganz irre, jetzt erschrecke ich schon vor dem Klingeln.«
Hanna lief zum Telefon. »Warrington?«
»Marten Stein. Ich habe gerade Ihre Nachricht erhalten. Hat die Polizei etwas unternommen?«
Steins Tonfall wirkte wie eine beruhigende Melodie. Hanna entspannte sich. »Sie leiten eine Fahndung nach Steve ein.«
»Das ist gut.«
»Ich würde Sie trotzdem gerne engagieren. Können wir uns morgen treffen?«
»In Ordnung. Um zehn Uhr bei Ihnen?«
»Zehn. Annastraße dreiundzwanzig A. Das ist eines der letzten Häuser, bevor die Fußgängerzone beginnt.«
»Gut, dann bis morgen.«
Sie legte auf und ging zum Sofa zurück.
»Wer war das?«, fragte Britt beiläufig. Sie hatte ihr Buch wieder hochgenommen, sodass ihr Gesicht halb verdeckt war.
»Marten Stein. Ein Privatdetektiv. Ich habe ihn gerade engagiert.« Hanna nahm ihr Glas und lehnte sich in die weichen Sofakissen zurück.
»Warum denn das? Die Polizei sucht doch jetzt nach Steve.«
»Weil ich mich nicht mehr sicher fühle. Jemand ist hinter Lilou her, vergiss das nicht. Und sie ist erst außer Gefahr, wenn Rob aus dem Verkehr gezogen wurde. Und vielleicht«, fügte Hanna hinzu, »kann er etwas über diese Rose herausfinden.«
»Privatdetektiv …« Britt ließ das Buch sinken. »Wo hast du den denn aufgetrieben?«
»Er hat mich angemailt. Über diese Vermisstenseite im Internet. Er ist auf die Suche von Personen spezialisiert.«
»Er hat dich angemailt?« Britt klopfte mit ihren langen Nägeln nachdenklich an ihr Weinglas. »Ich weiß nicht … da läuten bei mir echt Alarmglocken. Nach allem, was bisher passiert ist. Bei dir nicht? Was, wenn das ein abgekartetes Spiel ist? Er schafft Steve aus dem Weg, dann kontaktiert er dich, und als du nicht gleich anbeißt, schreckt er dich mit den Entführungsversuchen von Lilou hoch …«
»Keine Angst«, sagte Hanna, »Ich hatte anfangs auch Bedenken. Aber ich brauche Hilfe, und ich habe mit ehemaligen Kunden von ihm gesprochen. Die schwören auf ihn. Er soll absolut zuverlässig sein.«
»Trotzdem ….« Britt sah Hanna eindringlich an. »Denk an dein Erbe! Ich weiß ja nicht, wie groß es ist, aber wenn dieser Rob davon weiß, warum nicht auch der Detektiv?«
Samstag, 28. Mai
20
Den Blick starr auf das Tablett gerichtet, balancierte Hanna das Kaffeegeschirr durch das Chaos, das Lilou im Flur verbreitete. Sie fühlte sich fit und ausgeschlafen, obwohl Britt und sie am Abend zuvor die ganze Flasche Wein geleert hatten, während Britt sie mit Geschichten aus dem Erfahrungsschatz ihrer Kundinnen abgelenkt hatte. Als hätte sie einen sechsten Sinn für so etwas, hatte sie immer dann eine weitere witzige Story zum Besten gegeben, wenn Hannas Gedanken wieder zu der Erscheinung im Spiegel und dem Brief an Rose abdrifteten. Nur über sich selbst hatte Britt geschwiegen. Dabei hatte Hanna gespürt, dass auch sie eine Geschichte zu erzählen gehabt hätte. Eine Geschichte über Liebe und Verlust, über Hoffnung und Enttäuschung. Kaum war sie am Spiegel vorbei, löste sie den Blick vom Tablett. Sie schüttelte den Kopf über sich selbst. Was erwartete sie? Dass Steve wieder im Spiegel erschien? Seine Erscheinung war eine Halluzination gewesen. Beängstigend, aber harmlos.
Trotz ihrer Zweifel und Wut auf Steve hatte sie zum ersten Mal, seit sie aus dem Krankenhaus zurück war, durchgeschlafen. Keine Spinnen. Als ob sie Britts Traumdeutung durch ihr Fernbleiben bestätigen wollten. Sie stellte das Tablett auf dem Wohnzimmertisch ab und deckte den Tisch. Zwei nach zehn.
Es läutete. Als Hanna die Wohnungstür öffnete, zupfte Lilou an ihrer Hose. Hanna nahm sie hoch und lauschte auf die Schritte im Treppenhaus. Stein hatte einen leichten Gang. Unbeschwert. Wie Steve. Endlich kam er um die letzte Ecke.
Er war schlank und groß, und sein Mund verzog sich zu einem schiefen Lächeln, was seinen Gesichtszügen einen verschmitzten Ausdruck verlieh.
»Guten Morgen. Ich freue mich, Sie kennenzulernen!« Er reichte ihr die Hand.
»Schön, dass es so schnell geklappt hat.«
Marten Stein berührte Lilous Hand mit einem Finger. »Du bist also Lilou. Über deine Bekanntschaft freue ich mich natürlich auch!«
Er folgte ihr durch den Flur zum Wohnzimmer, und
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