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Racheklingen

Racheklingen

Titel: Racheklingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Abercrombie
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seiner Kehle aufwallte, so wie er es immer zu Hause im Norden gefühlt hatte, wenn die Schlacht in vollem Gange war und er mittendrin steckte.
    »Rache also?«, brüllte er. »Ich werde dir zeigen, was Rache ist!«
     
    Cosca zuckte zusammen, als Espe einen Schlag mit dem Schild abwehrte und zur Seite stolperte. Der Kämpfer stieß einige ausgesprochen wütend klingende Worte auf Nordisch hervor, schlug mit seinem Schwert in die Luft und verfehlte Graulock nur um Fingerbreite. Als er den Arm zurückschwingen ließ, erwischte er beinahe einige Zuschauer, die hastig zurückwichen.
    »Fantastische Vorführung!«, schwärmte jemand in Coscas Nähe, »es sieht beinahe echt aus! Die muss ich für die Hochzeit meiner Tochter anheuern …«
    Es stimmte, die Nordmänner zeigten eine ausgesprochen lebensnahe Darbietung. Fast ein bisschen zu lebensnah. Sie umkreisten sich wachsam, die Augen fest aufeinandergerichtet, und immer wieder wagte sich einer der beiden mit dem Fuß oder mit seiner Waffe vor. Es war die wilde, konzentrierte Vorsicht, wie sie Männer zeigten, die genau wussten, dass der kleinste Ausrutscher ihren Tod bedeuten konnte. Espes Haar klebte auf einer Seite blutdurchtränkt an seinem Kopf. Graulock war die Lederrüstung über der Brust aufgeschlitzt, und er hatte einen Schnitt unter dem Kinn, wo Espe ihn mit dem Schildrand getroffen hatte.
    Die Zuschauer riefen längst keine Schmähungen mehr, sondern feuerten die Kämpfer gespannt an, die Augen gierig auf das Spektakel gerichtet und hin- und hergerissen zwischen dem Wunsch, nach vorn zu drängen und besser zu sehen, oder zurückzuweichen, um nicht in die Reichweite der Waffen zu geraten. Sie fühlten, dass hier etwas in der Luft lag. Wie die Schwere des Himmels vor einem großen Sturm. Echte, mörderische Wut.
    Die Musiker hatten inzwischen ein Gespür für die passende Begleitung des Schauspiels entwickelt, die Geige kreischte auf, wenn Espe mit dem Schwert ausholte, und die Trommeln dröhnten, wenn Graulock seine große Keule schwang. Das erhöhte die beinahe unerträgliche Spannung noch entscheidend.
    Es war überdeutlich, dass sie versuchten, einander umzubringen, und Cosca hatte nicht die geringste Ahnung, wie er sie davon abhalten sollte. Er zuckte zusammen, als die Keule auf Espes Schild krachte und ihn fast von den Beinen riss. Sorgenvoll sah er zu den farbigen Glasfenstern hoch oben über dem Innenhof hinauf.
    Irgendetwas sagte ihm, dass sie hier mehr als nur zwei Tote zurücklassen würden.
     
    Die Leichen der beiden Wächter lagen vor der Tür. Einer saß gegen die Wand gelehnt da und starrte an die Decke. Der andere lag auf dem Bauch. Sie sahen gar nicht richtig tot aus, mehr, als würden sie schlafen. Monza versetzte sich selbst eine Ohrfeige, um den Spreunebel aus ihrem Kopf zu vertreiben. Die Tür wankte auf sie zu, und eine Hand in einem schwarzen Handschuh streckte sich aus und ergriff die Klinke. Verdammt.
Sie
musste das tun. Sie stand da, schwankte und wartete darauf, dass die Hand wieder losließ.
    »Oh.« Es war
ihre
Hand. Sie drückte die Klinke, und die Tür öffnete sich mit einem Ruck. Monza taumelte hindurch und landete beinahe auf dem Bauch. Der Raum schwankte, Wände zerflossen, lösten sich auf, wurden zu strömenden Wasserfällen. Flammen knisterten, funkelndes Kristall in einem Kamin. Ein Fenster stand offen, und Musik strömte hinein; unten im Hof schrien und riefen Männer. Sie konnte diese Geräusche sehen, glückliche Ablagerungen, die wie in Glas herumwirbelten, die Entfernung überwanden und ihre Ohren kitzelten.
    Prinz Ario lag auf dem Bett, splitternackt, der Körper weiß auf der zerwühlten Decke, Arme und Beine ausgestreckt. Seine Hand bewegte sich ihr entgegen, und das Federbüschel seiner Maske warf lange Schatten über die düstere Wand hinter ihm.
    »Ein Nachschlag?«, murmelte er und nahm einen trägen Schluck aus einer Weinflasche.
    »Ich hoffe, wir haben Sie nicht schon … müde gemacht.« Monzas eigene Stimme schien aus einem weit entfernt stehenden Eimer hervorzudröhnen, als sie zum Bett schlingerte wie ein Schiff, das auf einer aufgewühlten See aus rotem Teppich dahintreibt.
    »Ich würde vermuten, dass ich mich durchaus noch einmal aufrichten könnte«, sagte Ario und spielte mit seinem Schwanz. »Allerdings hast du mir etwas voraus.« Er bewegte missbilligend den Zeigefinger. »Zu viel Kleidung.«
    »Hm.« Sie ließ den Pelz von ihren Schultern gleiten, der sanft zu Boden fiel.
    »Handschuhe runter.«

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