Racheklingen
er inzwischen allmählich, dass er einfach nicht gut mit anderen Menschen zurechtkam. Er hätte ja eigentlich froh sein sollen, dass der ekelhafte Säufer Nicomo Cosca tot war, und tatsächlich war er zu Anfang wirklich erleichtert gewesen. Aber schon bald waren die dunklen Wolken zurückgekehrt und hatten das uralte Fundament leichter Depression erneut errichtet. Er stellte fest, dass er mit seiner schwierigen Dienstherrin schon wieder über jede Einzelheit ihrer Geschäfte stritt.
Vielleicht wäre es besser gewesen, wenn er sich einfach in die Berge zurückgezogen hätte, um als Eremit zu leben, wo er die Gefühle anderer nicht verletzen konnte. Aber die dünne Luft wäre nicht gut für seine zarte Konstitution gewesen. Und daher hatte er sich entschlossen, noch einmal den heroischen Versuch zu unternehmen, ein guter Kamerad zu werden. Den Verfehlungen anderer gegenüber nachgiebiger, großzügiger und gelassener zu bleiben. Den ersten Schritt dazu hatte er unternommen, während seine Gefährten das Gelände nach ersten Zeichen der Tausend Klingen absuchten: Er hatte vorgegeben, Kopfschmerzen zu haben, und die Zeit genutzt, um eine kleine Überraschung vorzubereiten, einen Topf Pilzsuppe nach dem Rezept seiner Mutter. Wahrscheinlich das einzig Greifbare, was sie ihrem einzigen Sohn hinterlassen hatte.
Beim Zerteilen der Pilze hatte er sich in den Finger geschnitten, dann hatte er sich den Ellenbogen am heißen Herd versengt, und beide Ereignisse hätten beinahe dazu geführt, dass er seinen Neuanfang in einem Anfall unproduktiver Wut über den Haufen geworfen hätte. Aber bis er schließlich hörte, dass die Pferde zum Gehöft zurückkehrten, als gerade die Sonne unterging und sich die Schatten über den Hof draußen legten, hatte er dann doch den Tisch gedeckt, zwei Kerzenstummel verbreiteten ein wohliges Licht, zwei Brotlaibe waren aufgeschnitten, und der Topf mit der Suppe stand bereit und verströmte einen leckeren Geruch.
»Hervorragend.« Es stand außer Frage, dass er wieder in Ehren aufgenommen werden würde.
Doch schon beim Eintreten der Essensgäste schwand sein Optimismus. Sie trampelten ins Haus – im Übrigen, ohne die Stiefel auszuziehen, so dass sie den Dreck von draußen über seinen glänzenden Fußboden verteilten – und betrachteten die von ihm so liebevoll gewienerte Küche, den sorgsam gedeckten Tisch und die unter vielen Mühen gekochte Suppe mit der Begeisterung eines Sträflings, dem man den Richtblock zeigt.
»Was ist das denn?« Murcatto schob die Lippen vor und runzelte die Stirn noch misstrauischer als gewöhnlich.
Morveer tat sein Bestes, um diesen kitzligen Augenblick zu überspielen. »Eine Entschuldigung. Da unser zahlenbesessener Koch nach Talins zurückgereist ist, dachte ich, vielleicht könnte ich die Lücke füllen, die er hinterlassen hat, und das Essen vorbereiten. Ein Rezept meiner Mutter. Setzen Sie sich, bitte setzen Sie sich!« Er wuselte um den Tisch, zog die Stühle zurück, und schließlich fanden alle ihren Platz, wenngleich sie auch immer noch unbehagliche Seitenblicke tauschten.
»Suppe?« Morveer trat mit einem Topf und bereitwillig geschwungener Kelle neben Espe.
»Nicht für mich. Du hast mich letztes Mal … wie hast du noch gesagt …«
»Paralysiert«, half Murcatto.
»Genau. Letztes Mal hast du mich paralysiert.«
»Du vertraust mir nicht?«, fauchte Morveer.
»Das liegt in der Natur der Sache«, erklärte Vitari, die ihn unter ihren rotblonden Brauen hervor ansah. »Sie sind ein Giftmischer.«
»Nach all dem, was wir miteinander durchgemacht haben? Du misstraust mir, wegen einer kleinen
Lähmung
?« Da unternahm er einen heroischen Versuch, das schlingernde Schiff ihrer Geschäftsbeziehung wieder auf geraden Kiel zu bringen, und niemand wusste das auch nur im Geringsten zu würdigen. »Wenn es meine Absicht gewesen wäre, dich zu vergiften, dann hätte ich dir einfach Schwarzlavendel aufs Kissen gestreut und dich in einen Schlaf fallen lassen, der niemals geendet hätte. Oder ich hätte dir Amerindendornen in die Stiefel gesteckt, Larync auf den Axtgriff geschmiert oder Senfwurzel in die Wasserflasche getan.« Er beugte sich zum Nordmann und packte den Griff der Kelle so fest, dass die Knöchel weiß hervortraten. »Es gibt abertausend Wege, dich zu töten, ohne dass du auch nur den Hauch eines Verdachts hegen würdest! Dafür würde ich mir doch nicht die Mühe machen,
ein ganzes Abendessen zu kochen
!«
Espes verbliebenes Auge starrte direkt
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