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Racheklingen

Racheklingen

Titel: Racheklingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Abercrombie
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über mit Splittern bedeckt, rannte er auf die verlockende Sicherheit der Bäume zu. Die hüfthohen Weizenhalme ließen ihn straucheln, schlugen nach ihm, fassten nach seinen Beinen.
    Mit wackligen Knien war er gerade einmal fünfzig Schritt weit gekommen, als er der Länge nach hinfiel und mit einem Schrei in das feuchte Getreide stürzte. Fluchend rappelte er sich wieder auf. Der boshafte Weizen hatte sich bei seinem Fall einen seiner Schuhe geschnappt. »Verdammtes
Korn
!« Gerade wollte er nach der flüchtigen Fußbedeckung tasten, als er ein lautes Trommeln vernahm. Zu seinem ungläubigen Entsetzen entdeckte er, dass ein Dutzend Reiter aus jenen Bäumen hervorpreschte, zwischen die er hatte fliehen wollen, und mit nun wildem Galopp auf ihn zuhielt, die Speere gesenkt.
    Ihm entwich ein atemloser Aufschrei, und er rutschte mit dem nackten Fuß aus, dann begann er wieder zu dem Spalt zurückzuhumpeln, der ihn bei der ersten Begegnung so gequält hatte. Er schob ein Bein hindurch und wimmerte vor Schmerz, als er sich unabsichtlich die Nüsse an dem Brett quetschte. Sein Rücken prickelte, während das Hufgetrappel lauter wurde. Die Reiter waren nicht mehr als fünfzig Schritt von ihm entfernt, Männer und Tiere mit hell schimmernden Augen und gebleckten Zähnen, die aufgehende Morgensonne fiel auf kriegerisches Metall, Spreu flog von den dreschenden Hufen. Es würde ihm nie gelingen, seinen blutenden Körper rechtzeitig durch die enge Lücke zu zwängen. Würde er nun auch gedroschen werden? Der arme, bescheidene Castor Morveer, der eigentlich immer nur …
    Eine Ecke der Scheune explodierte mit einem Schwall heller Flammen, ohne dass dabei ein anderes Geräusch zu hören gewesen wäre als das Krachen und Knirschen berstenden Holzes. Plötzlich war die Luft von herumwirbelnden Trümmerteilchen erfüllt: ein herabfallendes Stück brennenden Dachbalkens, hinweggesprengte Latten, gebogene Nägel, eine aufstiebende Wolke aus Splittern und Funken. Eine breite, rauschende Welle walzte eine Schneise in den Weizen, saugte in ihrer aufwallenden Brandung Staub, Halme, Korn und Glut empor. Zwei nicht gerade kleine Fässer wurden plötzlich sichtbar, wie sie stolz inmitten der niedergemähten Ernte direkt im Weg der Reiter standen. Flammen sprangen aus ihnen empor, und seitlich breitete sich plötzlich schwarze Kohle aus.
    Das rechte Fass explodierte mit einem blendenden Blitz, das linke unmittelbar danach. Zwei große Dreckfontänen wurden gen Himmel gewirbelt. Das vorderste Pferd, das bereits zwischen die beiden Behälter geraten war, schien anzuhalten, starr zu werden und dann zusammen mit seinem Reiter zu platzen. Die meisten anderen waren in die immer größer werdende Wolke aus Staub gehüllt und vermutlich zu herumfliegendem Hackfleisch geworden.
    Ein Windstoß drückte Morveer gegen die Scheunenwand, riss an seinem zerfetzten Hemd, seinem Haar, seinen Augen. Kurz darauf erreichte der Donner der doppelten Detonation seine Ohren und ließ seine Zähne aufeinanderschlagen. Einige Pferde an den beiden äußeren Seiten der Linie waren beinahe noch in einem Stück und wurden knochenlos flatternd wie die Spielzeuge eines zornigen Kleinkinds durch die Luft geschleudert. Ein Ross war beinahe von innen nach außen gekehrt und hinterließ blutige Narben im Getreidefeld nahe den Bäumen, aus denen die Reiter hervorgeprescht waren.
    Erdklumpen prasselten gegen die Bretterwand. Der Staub legte sich langsam wieder. Der feuchte Weizen brannte zögernd an einigen Stellen, an denen sich die Explosion ereignet hatte, und schickte beißenden Rauch gen Himmel. Verkohlte Holzsplitter, geschwärzte Spreu, qualmende Überreste von Menschen und Pferden regneten immer noch herab. Asche trudelte durch die Luft.
    Morveer stand in die Lücke der Hinterwand geklemmt da und war von kaltem Staunen erfasst. Gurkhisisches Feuer ganz offenbar – oder vielleicht doch etwas Dunkleres, etwas … Magisches? Als er sich gerade wieder befreit hatte, in den Weizen getaucht war und vorsichtig zwischen den Halmen hervorspähte, trat eine Gestalt aus der rauchenden Ecke der Scheune.
    Die Gurkhisin, Ischri. Ein Ärmel und der Saum ihres braunen Mantels brannten heftig. Sie schien plötzlich zu bemerken, dass die Flammen ihr Gesicht umspielten, legte das brennende Kleidungsstück ohne große Eile ab und warf es beiseite, dann stand sie von Kopf bis Fuß in ihre Verbände gewickelt da, unverbrannt und ganz wie der Leichnam einer Wüstenkönigin aus alter Zeit, die

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