Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Racheklingen

Racheklingen

Titel: Racheklingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Abercrombie
Vom Netzwerk:
umbringen.«
    Und Orso schließlich auch. Orso, für den sie gekämpft, sich abgemüht, für den sie getötet hatte. Großherzog Orso, Herr von Talins, der sich wegen eines Gerüchts gegen sie gewandt hatte. Ihren Bruder ermorden ließ und sie vernichtete, für nichts. Aus Angst, sie würden ihm seinen Platz streitig machen. Ihr Kiefer tat weh, so fest biss sie die Zähne zusammen. Sie spürte seine väterliche Hand auf ihrer Schulter, und ihr zitterndes Fleisch erschauerte. Sie sah sein Lächeln, hörte seine Stimme, die in ihrem dröhnenden Kopf widerhallte.
    Was täte ich nur ohne dich?
    Sieben Männer.
    Sie richtete sich mühsam auf, nagte an ihrer wunden Lippe und humpelte durch die dunklen Bäume. Wasser tropfte von ihrem durchweichten Haar und lief über ihr Gesicht. Der Schmerz nagte an ihren Beinen, ihrer Seite, ihrer Hand, ihrem Schädel, aber sie riss sich zusammen und zwang sich, weiterzugehen.
    »Ich werde sie umbringen … ich werde sie umbringen … ich werde sie umbringen …«
    Es war kaum der Erwähnung wert. Sie war mit dem Weinen fertig.
     
    Der alte Pfad war fast völlig überwachsen und kaum noch zu erkennen. Äste schlugen nach Monzas schmerzendem Körper, Brombeerranken fassten nach ihren brennenden Beinen. Sie kroch durch eine Lücke in der überwachsenen Hecke und sah mit gerunzelter Stirn auf jenen Ort hinab, an dem sie geboren worden war. Sie wünschte, es wäre ihr jemals gelungen, der unbeugsamen Erde eine Ernte abzuringen, die so üppig wuchs wie jetzt die Dornen und Nesseln. Das obere Feld war bedeckt von totem Gesträuch. Das untere stand voller Dornensträucher. Die Ruine eines Bauernhauses blickte traurig vom Waldesrand darüber hinweg, und sie blickte traurig zurück.
    Offenbar hatte die Zeit ihnen beiden übel mitgespielt.
    Sie ließ sich in die Hocke sinken und biss die Zähne zusammen, als ihre verdorrten Muskeln sich um ihre verbogenen Knochen spannten, lauschte einigen Vögeln, die in der untergehenden Sonne krächzten, und sah zu, wie der Wind das wilde Gras niederduckte und an den Nesseln riss. Bis sie sicher war, dass der Ort tatsächlich so verlassen war, wie er aussah. Dann massierte sie sich langsam wieder Leben in ihre geschundenen Beine und humpelte zu den Gebäuden hinüber. Von dem Haus, in dem ihr Vater gestorben war, standen nur noch die Grundmauern und ein paar verrottende Dachbalken, und der Grundriss war so klein, dass es ihr unglaublich erschien, jemals hier gelebt zu haben. Sie und ihr Vater und Benna. Sie wandte den Kopf und spuckte auf die trockene Erde.
    Wegen der bittersüßen Erinnerungen war sie schließlich nicht gekommen.
    Sondern wegen ihrer Rache.
    Der Spaten stand noch dort, wo sie ihn vor zwei Wintern hatte stehen lassen, und das Blatt, das unter Dreck und Müll in der Ecke der Scheune mit dem eingestürzten Dach gelegen hatte, war noch blank. Dreißig Schritte unter die Bäume. Schwer vorzustellen, dass sie diese langen, eleganten, lachenden Schritte einst so mühelos zurückgelegt hatte. Nun humpelte sie durch das Unkraut und zog den Spaten hinter sich her. Hinein in das ruhige Wäldchen, bei jedem Schritt zusammenzuckend, während gebrochene Muster aus Sonnenlicht über den gefallenen Blättern lagen, als der Abend verging.
    Dreißig Schritte. Sie hackte die Brombeerranken mit der Kante des Spatens ab, konnte schließlich auch den verfaulenden Baumstamm zur Seite ziehen, und fing an zu graben. Es wäre selbst mit gesunden Armen und Beinen eine schwere Aufgabe gewesen. In ihrem jetzigen Zustand war es eine Qual. Sie stöhnte, schwitzte, biss die Zähne zusammen. Monza war nie jemand gewesen, der auf halber Strecke aufgab, egal, wie schwer es wurde.
Du hast den Teufel im Leib,
hatte Cosca immer gesagt, und er hatte recht gehabt. Das hatte er selbst erfahren müssen, auf die harte Tour.
    Die Nacht zog herauf, als sie das hohle Dröhnen von Metall auf Holz vernahm. Sie kratzte die letzte Erde zur Seite und löste mit abgebrochenen Fingernägeln den eisernen Ring aus der Erde. Mit aller Kraft zog sie, stöhnte, und die gestohlenen Kleider klebten kalt an ihrer vernarbten Haut. Mit einem metallenen Kreischen öffnete sich die Falltür schließlich, und ein schwarzes Loch, in dessen Dunkelheit eine Leiter führte, gähnte darunter.
    Sie kletterte hinab, ganz langsam, da sie nicht die Absicht hatte, sich noch mehr Knochen zu brechen. In der Schwärze tastete sie herum, bis sie das Regalbrett fand, dann kämpfte sie mit dem Flintstein in ihrem Gespött

Weitere Kostenlose Bücher