Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Racheklingen

Racheklingen

Titel: Racheklingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Abercrombie
Vom Netzwerk:
hinter ihnen her, bahnte sich den Weg durch die Fischer, die den Fang in Eimer und Fässer sortierten. Er ging zum Kapitän, der an Deck beschäftigt war, und setzte das freundlichste Grinsen auf, zu dem er fähig war. »Schönes Boot haben Sie da«, hob er an, obwohl es sich, soweit er erkennen konnte, um eine ziemlich erbärmliche, verrottete Badewanne handelte.
    »Und?«
    »Könnten Sie nicht auch mich gebrauchen?«
    »Dich? Was weißt du denn vom Fischen?«
    Espe war ein erfahrener Fachmann im Gebrauch von Axt, Klinge, Speer und Schild. Ein Namhafter Mann, der im ganzen Norden Ausfälle angeführt und Stellungen gehalten hatte. Der ein paar Wunden abbekommen, aber deutlich mehr ausgeteilt als eingesteckt hatte. Doch nun war er fest entschlossen, sich besserer Arbeit zuzuwenden, und er klammerte sich an diesen Gedanken wie ein Ertrinkender an ein Stück Treibholz.
    »Ich habe als Junge viel geangelt, am Teich, mit meinem Vater.« Seine nackten Füße, die auf den Kieseln knirschten. Das Licht, das auf dem Wasser schimmerte. Das Lächeln seines Vaters und das Lächeln seines Bruders.
    Aber der Kapitän war nicht besonders nostalgisch veranlagt. »An einem Teich? Wir betreiben Seefischerei, Junge.«
    »Ich muss zugeben, mit Seefischerei habe ich noch keine Erfahrung.«
    »Wieso verschwendest du dann meine Zeit, verdammt noch mal? Ich kann massenweise styrische Fischer bekommen, die besten Kräfte, alle mit einem Dutzend Jahre Erfahrung.« Er deutete auf die Männer, die tatenlos an Land standen und eher so aussahen, als hätten sie ein Dutzend Jahre in einem Bierkrug verbracht. »Wieso sollte ich ausgerechnet einem nordischen Bettler Arbeit geben?«
    »Ich kann hart arbeiten. Hatte nur ein bisschen Pech. Ich würde mich gern beweisen.«
    »Das wollen wir alle, aber ich weiß immer noch nicht, wieso ausgerechnet ich derjenige sein sollte, der dir die Möglichkeit dazu gibt.«
    »Bloß eine Gelegenheit …«
    »Weg von meinem Boot, du großer weißhäutiger Dreckskerl!« Der Kapitän nahm ein langes, raues Stück Holz von Deck auf und machte einen Schritt nach vorn, als wollte er einen Hund verjagen. »Verschwinde und nimm dein Pech gleich mit!«
    »Ich bin vielleicht kein Fischer, aber ich hatte immer großes Talent dafür, Männer bluten zu lassen. Den Stock da leg besser wieder hin, bevor ich ihn dir zu fressen gebe.« Seine Worte begleitete Espe mit einem entsprechenden Blick. Einem Blick, der töten konnte, so wie man ihn im Norden übte. Der Kapitän zögerte und blieb brummend stehen. Dann warf er die Latte weg und brüllte jemanden seiner eigenen Leute an.
    Espe zog die Schultern hoch, wandte sich zum Gehen und blickte sich nicht mehr um. Er schlich zur Mündung einer kleinen Gasse und vorbei an den abblätternden Plakaten mit den vielen Worten. Die Schatten zwischen den geduckten Gebäuden nahmen ihn auf, und die Geräusche des Hafens wurden schließlich immer gedämpfter. Genauso war es ihm auch bei den Schmieden ergangen, bei den Bäckern und bei allen anderen verdammten Handwerkern in dieser verdammten Stadt. Einer der Schuhmacher hatte wie ein ganz anständiger Kerl ausgesehen, aber auch der hatte Espe schließlich gesagt, er solle sich verpissen.
    Vossula hatte behauptet, dass es überall in Styrien Arbeit gebe, man müsse nur fragen. Aus Gründen, die er sich nicht erklären konnte, schien Vossula die ganze Zeit über den größten Mist erzählt zu haben. Alles Mögliche hatte Espe ihn gefragt. Aber jetzt, als er auf einer glitschigen Türschwelle zusammensank und seine Stiefel in die Gosse ragten, dämmerte es ihm allmählich, dass es eine Frage gab, die er nicht gestellt hatte, und zwar die entscheidende. Die eine Frage, die sich ihm aufgedrängt hatte, seit er hier angekommen war.
    Sag mal, Vossula, wenn es in Styrien so großartig ist, wieso, zur Hölle, hängst du dann hier oben im Norden herum?
    »Scheiß Styrien«, zischte er auf Nordisch. Hinter seiner Nase fühlte er jenen Druck, der ihm anzeigte, dass er gleich heulen würde, und er war schon so erledigt, dass er sich kaum noch dafür schämte. Caul Espe, Rasselkopfs Sohn. Ein Namhafter Mann, der sich bei jedem Wetter dem Tod gestellt hatte. Der an der Seite der größten Namen im ganzen Norden gekämpft hatte – neben Rudd Dreibaum, dem Schwarzen Dow, dem Hundsmann, Harding Grimm. Der den Ausfall gegen die Unionstruppen an der Cumnur angeführt hatte. Der bei Dunbrec die Stellung gegen tausend Schanka gehalten hatte. Der bei den sieben Tagen

Weitere Kostenlose Bücher