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Racheklingen

Racheklingen

Titel: Racheklingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Abercrombie
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von einer Hand, bis es ihr gelang, die Lampe anzuzünden. Licht flackerte schwach unter der gewölbten Decke des Kellers und schimmerte auf den Metallkanten von Bennas vielen Vorsichtsmaßnahmen, die noch ganz unberührt dalagen, so wie sie sie verlassen hatten.
    Er hatte stets vorausgeplant.
    Von einer Reihe verrosteter Haken hingen Schlüssel. Schlüssel zu leerstehenden Gebäuden in ganz Styrien. Zu Verstecken. Auf einem Ständer an der Wand türmten sich Klingen, lange wie kurze. Sie öffnete die Truhe, die daneben stand. Kleidung lag darin, sorgfältig zusammengefaltet und ungetragen. Sie zweifelte daran, dass irgendetwas davon ihrem ausgemergelten Körper jetzt wirklich passte. Vorsichtig berührte sie eines von Bennas Hemden, und sie erinnerte sich daran, wie er die Seide dafür ausgesucht hatte, dann sah sie ihre eigene rechte Hand im Lampenlicht. Schnell griff sie nach einem Paar Handschuhe, warf einen weg und schob das verstümmelte Ding in den anderen, verzog schmerzerfüllt das Gesicht, als sie die Finger hineinbugsierte. Der kleinste stand immer noch stur gerade ab.
    An der Rückwand des Kellers waren Holzkisten aufgereiht, insgesamt zwanzig Stück. Sie humpelte zu der, die ihr am nächsten stand, und stieß den Deckel auf. Hermons Gold schimmerte darin. Ganze Haufen von Münzen. Schon allein in dieser Kiste ruhte ein kleines Vermögen. Sie führte ihre Fingerspitzen seitlich an den Kopf und fühlte die Erhebungen unter der Haut. Man konnte so viel mehr damit tun, als den eigenen Kopf zusammenzuhalten.
    Ihre Hand griff in die Münzen und ließ sie über ihre Finger klimpern. So, wie man es irgendwie immer machen musste, wenn man mit einer Kiste voller Geld allein war. Diese kleinen goldenen Dinger würden ihre Waffen sein. Diese, und …
    Sie ließ die behandschuhten Finger über die Klingen in dem Gestell fahren, hielt inne und nahm eine der Waffen in Augenschein, an der sie gerade vorübergeglitten war. Ein langer Degen aus schlichtem, grauem Stahl. Er war nicht besonders aufwendig verziert, aber in ihren Augen besaß er trotzdem eine furchterregende Schönheit. Die Schönheit eines Gegenstands, der seinem Verwendungszweck perfekt entspricht. Es war ein Calvez, vom besten Waffenschmied ganz Styriens. Ein Geschenk für sie von Benna, obwohl er eine gute Klinge nicht von einer Karotte hätte unterscheiden können. Er hatte die Waffe eine Woche lang getragen und sie dann gegen eine überteuerte Länge Metallschrott eingetauscht, die von einem blöden, vergoldeten Korb gekrönt wurde.
    Gegen jene Klinge, die er zu ziehen versucht hatte, als sie ihn töteten.
    Sie schloss die Finger um den kalten Griff, der sich in ihrer Linken seltsam anfühlte, und ließ ein paar Zoll Stahl aus der Scheide gleiten. Sie schimmerten hell und einsatzfreudig im Lampenlicht. Guter Stahl lässt sich biegen, bricht aber nie. Guter Stahl ist immer scharf und bereit. Guter Stahl fühlt keinen Schmerz, kein Mitleid und vor allem kein Bedauern.
    Sie fühlte, dass sie lächelte. Zum ersten Mal seit Monaten. Das erste Mal, seit Gobbas Draht zischend um ihren Hals gefahren war.
    Nun also Rache.

FISCH AUF DEM TROCKENEN
    Der kalte Wind blies vom Meer über Land und bedachte die Hafenanlagen von Talins mit einer guten frischen Brise. Oder einer schlechten, je nachdem, wie warm man angezogen war. Espe war überhaupt nicht warm angezogen. Er zog sich den dünnen Mantel enger um die Schultern und dachte, dass er sich die Mühe auch hätte sparen können, weil es nämlich überhaupt nichts nützte. Dann kniff er die Augen zusammen und linste schlechtgelaunt in die nächste Bö. Heute fühlte er sich wirklich wie Espenlaub und verdiente sich seinen Namen tatsächlich. Wie schon die ganzen letzten Wochen.
    Er erinnerte sich daran, wie er schön warm an einem Feuer gesessen hatte, oben im Norden in einem guten Haus in Uffrith, mit dem Bauch voller Fleisch und dem Kopf voller Träume, und sich mit Vossula über die wundervolle Stadt Talins unterhalten hatte. Mit einiger Bitterkeit dachte er nun daran zurück, weil es nämlich jener blöde Kaufmann gewesen war, mit seinen sehnsuchtsvollen Augen und den schwärmerischen Geschichten von Zuhause, der ihm diese Albtraumfahrt nach Styrien eingebrockt hatte.
    Vossula hatte ihm erzählt, dass in Talins immer die Sonne schiene. Deswegen hatte Espe seinen guten Mantel verkauft, bevor er sich auf den Weg gemacht hatte. Schließlich hatte er ja nicht schwitzen wollen, jetzt, da er zitterte wie ein

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