Racheklingen
tot, falls es das war, was Sie mit diesem Schmus ausdrücken wollten.«
»Sie haben eine seltsame Art zu feiern.« Ischri hob die langen Arme zur Decke. »Sie haben sich gerächt! Gelobt sei Gott!«
»Orso lebt noch.«
»Ah, ja.« Ischri riss die Augen so weit auf, dass Espe sich fragte, ob sie vielleicht herausfallen würden. »Und wenn Orso tot ist, dann werden Sie lächeln.«
»Was kümmert es Sie, wann ich lächele?«
»Ob es mich kümmert? Kein Fitzelchen. Ihr Styrer habt die Angewohnheit, zu prahlen und zu prahlen und niemals ernst zu machen, daher bin ich entzückt, einmal jemanden zu finden, der tatsächlich tut, was er sich vorgenommen hat. Erledigen Sie die Aufgabe, die vor Ihnen liegt, und von mir aus können Sie dabei so grimmig gucken, wie Sie wollen.« Sie fuhr mit den Fingern über die Tischplatte und löschte dann die Flämmchen der Brenner gemächlich mit der Handfläche. »Und wo wir gerade davon sprechen: Sie sagten unserem gemeinsamen Freund, Herzog Rogont, dass Sie die Tausend Klingen auf seine Seite holen könnten, wenn ich mich recht erinnere?«
»Wenn wir das Gold des Imperators bekommen …«
»In Ihrer Hemdtasche.«
Stirnrunzelnd zog Monza etwas hervor und hielt es ans Licht. Eine große, rotgoldene Münze, die jenen warmen Schimmer besaß, wie Gold ihn eben hat, jenen Schimmer, der dafür sorgt, dass man es unbedingt berühren will. »Sehr schön, aber wir werden mehr als eine brauchen.«
»Oh, es wird mehr geben. Die Berge von Gurkhul sind aus reinem Gold, habe ich gehört.« Sie betrachtete die verkohlten Kanten des Loches, das in der Ecke der Scheune klaffte, dann schnalzte sie fröhlich mit der Zunge. »Ich habe es immer noch drauf.« Damit schlängelte sie sich durch die Lücke wie ein Fuchs durch einen Zaun und war verschwunden.
Espe wartete kurz, dann lehnte er sich zu Monza hinüber. »Ich weiß ja nicht, sie hat irgendwas Komisches an sich.«
»Du hast wirklich eine tolle Menschenkenntnis, was?« Sie wandte sich ohne zu lächeln um und folgte Vitari nach draußen.
Espe blieb noch einen Augenblick stehen und betrachtete sinnend Days Leiche, bewegte die Gesichtsmuskeln, fühlte, wie sich die Narben auf der linken Seite streckten, zusammenzogen, juckten. Cosca war tot, Day war tot, Vitari war gegangen, Freundlich auch, Morveer war geflohen und hatte sich, so wie es aussah, gegen sie gewandt. Damit war ihre nette Gemeinschaft wohl am Ende. Vielleicht hätte er voller Rührseligkeit an die fröhlichen Freunde von früher denken sollen, an den brüderlichen Verbund, dem er einmal angehört hatte. Der eine gemeinsame Sache verfolgte, und wenn das auch nicht mehr war, als am Leben zu bleiben. Hundsmann und Harding Grimm und Tu! Dum. Selbst der Schwarze Dow. Alles Männer, die sich an ihre Grundsätze hielten. Sie alle gehörten der Vergangenheit an und hatten ihn allein zurückgelassen. Hier in Styrien, wo niemand Grundsätze hatte, die irgendwas bedeuteten.
Und dennoch war sein rechtes Auge dem Weinen nicht näher als das linke.
Er kratzte sich an der Narbe auf seiner Wange. Ganz sanft, nur mit den Fingerspitzen. Er zuckte zusammen und kratzte stärker. Und noch stärker. Dann zwang er sich aufzuhören und zischte durch die Zähne. Jetzt juckte es mehr denn je, und außerdem tat es auch noch weh. Er musste noch herausfinden, wie er dem Wunsch, sich zu kratzen, begegnen konnte, ohne dass er sich noch schlechter fühlte.
So ist das mit der Rache.
DER ALTE NEUE GENERAL DER TAUSEND KLINGEN
Monza hatte zahllose Wunden gesehen, in allen Größen, Formen, Ausprägungen. Schließlich war es ihr Beruf gewesen, Wunden zu verursachen. Sie hatte beobachtet, wie Menschen auf jede erdenkliche Weise geschunden und getötet worden waren. Zerquetscht, erschlagen, erstochen, verbrannt, gehängt, gehäutet, ausgeweidet, ausgeblutet. Aber Caul Espes Narbe war vielleicht die schlimmste, die sie je im Gesicht eines Lebenden gesehen hatte.
Sie begann als rosafarbene Vertiefung in der Nähe seines Mundwinkels, wurde dann unterhalb seines Wangenknochens zu einer zerklüfteten, fingerdicken Rille und verbreitete sich schließlich zum Auge hin zu einem Flechtwerk gesprenkelten, geschmolzenen Fleisches. Zornesrote Linien und Punkte breiteten sich von dieser Narbe über die Wange bis zu seiner Nase aus. Passend dazu ringelte sich ein dünner Streifen über seine Stirn, der die Hälfte seiner Augenbraue weggerissen hatte. Und dann war da noch das Auge selbst. Es war größer als das andere. Die
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