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Racheklingen

Racheklingen

Titel: Racheklingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Abercrombie
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bezeichnete, war mit ihren schattenumlagerten Senken und dramatischen Gipfeln in goldenes Abendlicht getaucht. Sie reckte sich kühn nach Süden und endete in jenem großen Felsen, in den Ospria hineinbaut worden war. Zwischen der Stadt und dem Hügel, auf dem die Tausend Klingen ihr Hauptquartier aufgeschlagen hatten, lag ein tiefes, grünes Tal, in dem Wildblumen in Hunderten von Farben blühten. Am Grund des Tals wand sich die Sulva dem noch weit entfernten Meer entgegen, geküsst von der sinkenden Sonne, die den Fluss orangefarben wie geschmolzenes Eisen schimmern ließ.
    Vögel zwitscherten in den Olivenbäumen eines alten Hains, Grillen zirpten im Gras, der Wind küsste Coscas Gesicht und ließ die Feder seines Huts, den er locker in der Hand hielt, großartig hin und her wehen. Weinberge erstreckten sich über die Hänge im Norden der Stadt, grüne Reihen von Rebstöcken auf dem staubigen Bergrücken, die Coscas Blicke auf sich zogen und ihm das Wasser im Mund zusammenlaufen ließen. Die besten Jahrgänge des ganzen Weltenrunds waren aus diesem Boden herausgepresst worden …
    »Süßes Erbarmen, nur ein Schluck«, flüsterte er beinahe unhörbar.
    »Wunderschön«, hauchte Prinz Foscar.
    »Sie haben das schöne Ospria noch nie zuvor erblickt, Euer Hoheit?«
    »Ich habe Geschichten darüber gehört, aber …«
    »Ein atemberaubender Anblick, nicht wahr?« Die Stadt war auf vier riesigen Terrassen erbaut worden, die man in den cremefarbenen Fels des steilen Berges hineingehauen hatte. Jede dieser Terrassen war mit einer eigenen, glatten Mauer eingefasst, vollgestopft mit hoch aufragenden Gebäuden, zugekleistert mit einem Gewirr aus Dächern, Türmchen und Kuppeln. Der alte kaiserliche Aquädukt wand sich elegant vom Berg bis zu den äußersten Wällen der Stadt und zählte fünfzig Bogen oder mehr, von denen der größte zwanzig Manneslängen vom Boden emporragte. Die Zitadelle krallte sich an den höchsten Felsen, und ihre vier großen Türme zeichneten sich klar gegen das allmählich dunkler werdende Blau des Abendhimmels ab. In den Fenstern wurden die Lampen angezündet, als die Sonne unterging, und die Umrisse der Stadt waren mit winzigen Nadelstichen hellen Lichts punktiert. »Es gibt keine andere Stadt wie diese.«
    Eine Pause. »Es ist beinahe eine Schande, sie mit Feuer und Schwert zerstören zu wollen«, sagte Foscar.
    »Beinahe, Euer Hoheit. Aber wir sind im Krieg, und dies sind die Mittel, die uns zur Verfügung stehen.«
    Cosca hatte gehört, dass Graf Foscar – oder vielmehr seit dem Unglück, das seinem Bruder in einem berühmten Bordell in Sipani widerfahren war, Prinz Foscar – ein jungenhafter, unreifer, schreckhafter Bursche sei, und war von daher angenehm überrascht von dem, was er bisher gesehen hatte. Der Junge war noch ein wenig grün, sicher, aber jeder Mann beginnt sein Leben jung, und Foscar wirkte eher nachdenklich als schwach, eher nüchtern als blutarm, eher höflich als schlaff. Ein junger Mann, ganz ähnlich wie Cosca selbst in diesem Alter. Nur natürlich in jeder Hinsicht das Gegenteil.
    »Die Befestigungen scheinen äußerst stark zu sein …«, murmelte der Prinz, der die hoch aufragenden Stadtmauern durch sein Fernrohr betrachtete.
    »Oh, das sind sie auch. Ospria war der letzte Außenposten des Neuen Kaiserreichs, erbaut, um die unruhigen baolitischen Horden in Schach zu halten. Einige Teile der Mauern halten schon seit fünfhundert jähren allen Angriffen unzivilisierter Wilder stand.«
    »Wird sich Herzog Rogont also hinter diese Mauern zurückziehen? Er neigt offenbar dazu, einen Kampf zu vermeiden, wann immer es möglich ist …«
    »Er wird in die Schlacht ziehen, Euer Hoheit«, versicherte Andiche.
    »Das muss er«, grollte Sesaria, »oder wir lagern so lange in seinem hübschen Tal, bis wir ihn ausgehungert haben.«
    »Wir sind ihm drei zu eins überlegen«, quäkte Victus.
    Cosca konnte dem nur zustimmen. »Mauern sind nur dann nützlich, wenn man Unterstützung erwarten kann, und jetzt wird niemand mehr dem Achterbund zu Hilfe eilen. Er muss kämpfen. Er wird kämpfen. Er ist verzweifelt.« Wenn es etwas gab, das Cosca verstand, dann war es Verzweiflung.
    »Ich muss gestehen, dass ich einige … Bedenken habe.« Foscar räusperte sich nervös. »Soweit ich weiß, haben Sie meinen Vater stets leidenschaftlich gehasst.«
    »Leidenschaft. Ha.« Cosca machte eine wegwerfende Handbewegung. »Als junger Mann ließ ich zu, dass meine Leidenschaft mich leitete, aber ich

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