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Racheklingen

Racheklingen

Titel: Racheklingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Abercrombie
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achtete, dann hatte das Bankett einen Hauch schriller Hysterie. Es wurde zu viel getrunken, zu schnell geredet, zu laut gelacht. Es ging doch nichts über die Aussicht auf bevorstehende Vernichtung, um alle Hemmungen fallen zu lassen. Rogonts Untergang hatte einen Vorteil – ein großer Teil dieser ganzen Narren würde ebenfalls alles verlieren.
    »Sind Sie sicher, dass ich hier oben sitzen sollte?«, knurrte sie.
    »Irgendjemand muss doch hier sitzen.« Rogont warf einen wenig begeisterten Seitenblick auf die mädchenhafte Gräfin Cotarda von Affoia. »Der edle Achterbund hat sich offenbar in einen Zweierbund verwandelt.« Er beugte sich zu Monza. »Und um ganz ehrlich zu sein, ich frage mich, ob es nicht zu spät für mich ist, ebenfalls auszusteigen. Leider ist es so, dass mir allmählich die namhaften Gäste ausgehen.«
    »Also bin ich ein Ausstellungsstück, um Ihr schwindendes Prestige zu stärken?«
    »Ganz genau. Und ein äußerst charmantes noch dazu. All diese Geschichten über meinen Niedergang sind zudem verrückte Gerüchte, das kann ich Ihnen versichern.« Monza brachte nicht mehr genug Kraft auf, um darüber erzürnt oder gar amüsiert zu sein, und rettete sich in ein müdes Schnauben. »Sie sollten etwas essen.« Er deutete mit seiner Gabel auf den Teller, den sie bisher nicht angerührt hatte. »Sie sehen dünn aus.«
    »Mir ist schlecht.« Außerdem tat ihr die rechte Hand so weh, dass sie kaum das Messer halten konnte. »Mir ist dauernd schlecht.«
    »Wirklich? Haben Sie etwas Falsches gegessen?« Rogont schob sich ein Stück Fleisch in den Mund und kaute mit dem genussvollen Gesichtsausdruck eines Mannes, der zumindest davon ausgeht, noch bis zum Ende der Woche zu überleben. »Oder haben Sie etwas Falsches getan?«
    »Vielleicht liegt es an der Gesellschaft.«
    »Das würde mich nicht wundern. Meine Tante Sefeline fühlte stets großen Ekel in meiner Gegenwart. Sie hatte viel mit Übelkeit zu kämpfen. Sie erinnern mich ein wenig an Sie. Scharfer Verstand, großes Talent, eiserner Wille, aber ein viel schwächerer Magen, als man vermuten sollte.«
    »Ich bedauere, wenn ich Sie enttäuschen muss.« Die Toten wussten, dass sie sich selbst genug enttäuscht hatte.
    »Mich? Oh, ganz im Gegenteil, das versichere ich Ihnen. Niemand von uns ist aus Stein gemacht, nicht wahr?«
    Wenn es doch nur so gewesen wäre. Monza würgte noch mehr Wein hinunter und sah böse auf das leere Glas. Vor einem Jahr hatte sie nur Verachtung für Rogont empfunden. Sie erinnerte sich daran, wie sie mit Benna und dem Getreuen darüber gelacht hatte, was dieser Mann doch für ein Feigling und verräterischer Verbündeter war. Nun war Benna tot, den Getreuen hatte sie ermordet, und sie war in Rogonts Schutz geflüchtet wie ein ungezogenes Kind zu seinem reichen Onkel.
    Ein Onkel, der sich nicht einmal selbst beschützen konnte. Aber seine Gesellschaft war ihr wesentlich lieber als jene, die ihr sonst geblieben wäre. Ihre Augen glitten zögernd zum Ende des langen Tisches zur Rechten, wo Espe allein saß.
    Die traurige Tatsache war die, dass er ihr Übelkeit verursachte. Es kostete sie alle Mühe, neben ihm zu stehen, von einer Berührung gar nicht zu reden. Das lag nicht nur an der schlichten Hässlichkeit seines verstümmelten Gesichts. Sie hatte genug hässliche Dinge gesehen und auch getan, um zumindest ohne Schwierigkeiten so tun zu können, als ob es ihr nichts ausmachte. Es war sein Schweigen, nachdem er früher ununterbrochen geredet hatte. In ihm ruhte die Schuld, die sie niemals würde begleichen können. Sie sah die versengte, tote Ruine von einem Auge und musste daran denken, wie er geflüstert hatte:
Es hätte dich treffen sollen.
Und sie wusste, dass das stimmte. Wenn er dann doch einmal sprach, dann sagte er nichts mehr davon, das Richtige zu tun und ein besserer Mensch werden zu wollen. Vielleicht hätte sie sich darüber freuen sollen, dass sie ihren kleinen Disput gewonnen hatte. Sie hatte sich schließlich alle Mühe gegeben. Aber sie konnte nun nichts anderes denken, als dass sie einen halbwegs anständigen Mann genommen und zu einem halbwegs bösen gemacht hatte. Sie war nicht nur selbst verdorben, sie verdarb auch alles, was sie berührte.
    Espe erregte Übelkeit in ihr, und dass sie so viel Ekel empfand, obwohl sie doch hätte dankbar sein sollen, machte die Sache nur noch schlimmer.
    »Ich verschwende hier meine Zeit«, zischte sie, mehr an ihr Glas als an sonst jemanden gewandt.
    Rogont seufzte. »Das

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