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Racheklingen

Racheklingen

Titel: Racheklingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Abercrombie
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ins Ohr: »Monzcarro Murcatto, die Schlächterin von Caprile. In Caprile wurden sogar Kinder ermordet.« Beinahe fühlte er ihren Atem auf seiner Haut, die nun kribbelte, weil sie ihm so nahe war, und Zorn und Lust verbanden sich zu einem heißen Gemisch. »Ermordet! Auf den Straßen! Sie war nicht mal ihrem Bruder treu, nach allem, was ich gehört habe …«
    »Hä?« Espe wünschte sich, er hätte weniger getrunken, denn der Saal drehte sich allmählich um ihn.
    »Das wussten Sie nicht?«
    »Was weiß ich nicht?« Eine seltsame Mischung aus Neugier, Angst und Abscheu schlich sich an ihn heran.
    Eider legte ihm eine Hand auf den Arm und kam nahe genug, damit er wieder einen Hauch ihres Duftes wahrnahm – süß, verwirrend, Übelkeit erregend. »Sie und ihr Bruder haben sich geliebt.« Sie schnurrte das letzte Wort geradezu und zog es in die Länge.
    »Was?« Seine vernarbte Wange brannte, als hätte man ihn geohrfeigt.
    »Sie haben sich geliebt. Sie haben miteinander geschlafen, so wie Mann und Frau. Sie haben sich
gefickt.
Das ist kein Geheimnis. Fragen Sie, wen Sie wollen. Fragen Sie sie.«
    Espe spürte, dass er kaum atmen konnte. Er hätte es wissen sollen. Ein paar Sachen, die ihn immer schon gewundert hatten, fügten sich plötzlich zu einem passenden Bild zusammen. Er hatte es gewusst, vielleicht. Aber er fühlte sich trotzdem hintergangen. Betrogen. Zum Narren gehalten. Wie ein Fisch, der aus einem Bach herausgekitzelt und dann erstickend am Ufer liegen gelassen worden war. Nach allem, was er für sie getan hatte, nach allem, was er verloren hatte. Die Wut kochte derart in ihm hoch, dass er sich kaum noch beherrschen konnte.
    »Halt dein verdammtes Maul!« Er schlug Eiders Hand weg. »Du glaubst wohl, ich merke nicht, dass du versuchst, mich gegen sie aufzuhetzen?« Irgendwie hatte er sich von der Bank erhoben, sah auf sie herab, der Saal kippte unter seinen Füßen weg, verschwommene Lichter und schwankende Gesichter tanzten um ihn herum. »Hältst du mich für blöde, Weib? Denkst du, ich sei nichts wert?«
    Espes Gesicht brannte. Das Blut pochte in seinem Kopf, so stark, dass es sich so anfühlte, als ob sein Auge aus seiner Höhle springen würde. Wenn es nicht schon herausgebrannt worden wäre. Er stieß einen seltsam erstickten Schrei aus, die Kehle war ihm vor Wut zugeschnürt. Taumelnd trat er einen Schritt zurück; hätte er es nicht getan, hätte er sie erwürgt. Dabei stieß er mit einem Diener zusammen und schlug ihm das silberne Tablett aus der Hand. Gläser fielen zu Boden, eine Flasche zerbrach, Wein spritzte durch die Gegend.
    »Mein Herr, ich muss in aller Bescheidenheit …«
    Espes linke Faust krachte in die Rippen des Bediensteten und warf den Mann zur Seite, und bevor er stürzte, schlug ihm Espe noch einmal ins Gesicht. Der Mann stolperte gegen die Wand und rutschte in die Trümmer seiner Flaschen. Blut zierte Espes Faust. Blut, und ein weißer Splitter zwischen seinen Fingern. Ein Stückchen Zahn. Er wünschte sich nichts mehr, als sich über dieses Arschloch zu beugen, dessen Kopf in die Hände zu nehmen und so lange gegen die schöne Wandverkleidung zu schmettern, bis ihm das Hirn herausspritzte. Beinahe hätte er es getan.
    Aber stattdessen wandte er sich ab. Zwang sich dazu, sich umzudrehen und davonzustolpern.
     
    Die Zeit verging quälend langsam.
    Monza lag auf der Seite, den Rücken Espe zugewandt, ganz am Rand des Bettes. Hielt so viel Abstand zwischen sich und ihm, wie es überhaupt möglich war, ohne dass sie auf den Boden fiel. Die ersten Anzeichen des Morgengrauens krochen durch die Vorhänge und tauchten das Zimmer in dreckiges Grau. Der Wein verlor allmählich seine Wirkung, und sie empfand nun noch mehr Übelkeit, Müdigkeit, Hoffnungslosigkeit als zuvor. Wie eine Welle, die an einen dreckigen Strand brandet und von der man sich erhofft, dass sie alles reinigen wird, die dann aber ins Meer zurückflutet und zahllose tote Fische zurücklässt.
    Sie versuchte sich zu überlegen, was Benna ihr jetzt gesagt hätte. Was er getan hätte, damit sie sich besser fühlte. Aber sie konnte sich nicht mehr daran erinnern, wie seine Stimme sich angehört hatte. Er verblasste allmählich, und er nahm all das, was in ihr gut gewesen war, mit sich. Sie dachte an den kleinen Jungen, vor langer Zeit, klein und kränklich und hilflos. Ein Junge, der sie brauchte, damit sie sich um ihn kümmerte. Dann dachte sie an den erwachsenen Mann, der lachend mit ihr den Berg nach Fontezarmo

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