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Racheklingen

Racheklingen

Titel: Racheklingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Abercrombie
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endlosen Mordens auf den Hohen Höhen dabei gewesen war. Beinahe zupfte ein Lächeln an seinen Mundwinkeln, wenn er an die verrückten, mutigen Zeiten dachte, die er überlebt hatte. Sicher, die ganze Zeit über hatte er sich fast in die Hosen geschissen, aber trotzdem waren es jetzt richtiggehend glückliche Erinnerungen. Damals war er zumindest nicht allein gewesen.
    Schritte näherten sich, und er sah auf. Vier Männer bogen vom Hafen her in die kleine Gasse ein und schlenderten denselben Weg entlang, den er vorhin auch genommen hatte. Sie hatten diesen mitleiderregenden Blick, den manche Männer aufsetzen, wenn sie nichts Gutes im Schilde führen. Espe drückte sich etwas tiefer in den Hauseingang und hoffte, dass das, was sie planten, nichts mit ihm zu tun hatte.
    Sein Herz sank ein wenig, als sie sich im Halbkreis um ihn aufstellten und auf hin hinabblickten. Einer hatte eine geschwollene rote Nase, wie man sie bekam, wenn man zu viel trank. Ein anderer war kahl wie eine Stiefelspitze und hielt eine Holzplanke in Händen. Der Dritte trug einen struppigen Bart und hatte braune Zähne. Keine nette Truppe, und Espe vermutete stark, dass sie auch nichts Nettes im Sinn hatte.
    Der Vorderste, ein unangenehm aussehender Dreckskerl mit einem spitzen Rattengesicht, grinste ihn an. »Na, was hast du Schönes für uns?«
    »Ich wünschte, ich hätte was, das sich zu stehlen lohnt. Habe ich aber nicht. Ihr könnt echt abhauen.«
    Rattengesicht sah seinen kahlen Kumpel an und wirkte verärgert darüber, dass es vielleicht wirklich nichts zu holen gab. »Dann deine Stiefel.«
    »Bei dem Wetter? Ich würde erfrieren.«
    »Erfrieren. Soso. Das ist mir doch scheißegal. Los, her mit den Stiefeln, bevor wir dir aus Spaß eine kleine Abreibung verpassen.«
    »Scheiß Talins«, brummte Espe leise, und aus der Asche seines Selbstmitleids in seiner Kehle flammte es plötzlich heiß und blutrünstig auf. Es nagte an ihm, dass er so tief gesunken war. Diese Arschlöcher brauchten seine Stiefel nicht, sie wollten sich nur stark fühlen. Aber es wäre Dummheit gewesen, allein gegen vier Mann zu kämpfen, noch dazu, ohne eine Waffe griffbereit zu haben. Dummheit, sich für ein Stück altes Leder umbringen zu lassen, ganz egal, wie beschissen kalt es war.
    Er bückte sich und brummte etwas, als er langsam seine Stiefel auszog. Dann krachte sein Knie unvermittelt in Rotnases Nüsse und ließ den Schnapphahn mit einem lauten Schnaufen zusammenknicken. Espe war selbst ebenso überrascht wie seine Angreifer. Vielleicht ließ es sein Stolz doch nicht zu, barfuß zu gehen. Er gab Rattengesicht einen kräftigen Schlag unters Kinn, packte ihn dann an den Mantelaufschlägen und stieß ihn hart gegen einen seiner Kumpel, woraufhin beide zu Boden gingen und wie Katzen in einem Hagelsturm kreischten.
    Espe wich dem Stock des Kahlköpfigen aus, der seine Schulter streifte, und der Mann geriet aus dem Gleichgewicht und taumelte an ihm vorüber. Der Mund stand ihm vor Überraschung offen. Espe platzierte einen Haken direkt auf seinem Kinn und ließ seinen Kopf nach hinten schnappen, dann trat er ihm die Beine weg, schickte ihn zu Boden und tauchte hinterher. Zwei-, drei-, viermal krachte Espes Faust in sein Gesicht und hinterließ ein ziemlich übles Schlachtfeld. Blut spritzte auf seinen dreckigen Mantel.
    Espe stolperte zur Seite, während der Kahle seine ausgeschlagenen Zähne in die Gosse spuckte. Rotnase krümmte sich noch immer und presste sich die Hände zwischen die Beine. Aber die anderen beiden hatten nun Messer gezückt, und der scharfe Stahl schimmerte. Espe duckte sich mit geballten Fäusten; er atmete stoßweise, und die Augen glitten von einem zum anderen. Seine Wut verrauchte rasch. Er hätte ihnen die Stiefel geben sollen. Jetzt würden sie ihm das Leder vermutlich nach ein paar kurzen, schmerzhaften Augenblicken von seinen kalten, toten Füßen ziehen. Scheiß Stolz. Dieser Quatsch machte einem Mann nichts als Schwierigkeiten.
    Rattengesicht wischte sich das Blut unter der Nase weg. »Jetzt bist du ein toter Mann, du nordischer Wichser! Du bist so gut wie …« Mit einem Mal gaben seine Beine unter ihm nach, und er stürzte mit einem Kreischen zu Boden; das Messer fiel ihm aus der Hand.
    Jemand glitt aus den Schatten hinter ihm. Groß und mit einer Kapuze verhüllt, ein Degen lose in der bleichen linken Faust. Die lange, dünne Klinge spiegelte das karge Licht, das in die dunkle Gasse fiel, und glänzte vor Mordlust. Der letzte der

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