Racheklingen
Sein Herz schlug ungewöhnlich schnell, Schweiß prickelte auf seiner Kopfhaut. Leise kroch er durch den überwachsenen Vorgarten, setzte die alten Stiefel geräuschlos auf die richtigen Stellen zwischen das Unkraut und kam bis ans erleuchtete Fenster. Zögernd, beinahe ängstlich blickte er hindurch. Drei Kinder saßen auf einem abgetretenen Teppich vor einem kleinen Feuer. Zwei Mädchen und ein Junge, allesamt mit demselben hellroten Haar. Sie spielten mit einem grell bemalten Holzpferd auf Rädern. Kletterten darauf, schubsten sich gegenseitig herunter, jagten sich um das Spielzeug herum und kreischten leise vor Begeisterung. Er hockte da, fasziniert, und sah ihnen zu.
Unschuldig. Ungeformt. Voller Möglichkeiten. Bevor sie damit anfingen, Entscheidungen zu treffen, oder bevor Entscheidungen für sie getroffen wurden. Bevor die Türen sich zu schließen begannen und sie nur noch einen einzigen Weg vor sich sahen. Bevor sie knieten, jetzt, in dieser kurzen Zeitspanne, konnten sie alles sein.
»Soso. Was haben wir denn hier?«
Sie kauerte über ihm auf dem niedrigen Dach des Schuppens, den Kopf zur Seite geneigt, und ein Lichtstreifen aus einem gegenüberliegenden Fenster fiel hart auf ihr Gesicht. Ein Stück hellrotes, stachliges Haar, eine rote Braue, ein zusammengekniffenes Auge, Sommersprossen, ein Mundwinkel, der auf eine finstere Miene schließen ließ.
Schenkt seufzte. »Ich fürchte, du bist mir überlegen.«
Sie glitt von der Mauer, sprang auf den Boden und kam elegant mit gebeugten Knien auf. Ihre Kette rasselte. Dann richtete sie sich auf, groß und schlank, trat einen Schritt auf ihn zu und hob die Hand.
Er atmete langsam, langsam ein.
Jede kleine Einzelheit ihres Gesichts nahm er wahr: Fältchen, Sommersprossen, die kleinen Härchen auf ihrer Oberlippe, die sandfarbenen Augenwimpern, die beim Blinzeln hinunterkrabbelten.
Er hörte, wie ihr Herz schlug, so heftig wie ein Rammbock vor einem Stadttor.
Bumm … bumm … bumm …
Sie umfasste seinen Hinterkopf, und sie küssten sich. Er schlang die Arme um sie, drückte ihren Körper fest an sich, sie vergrub ihre Finger in seinem Haar, ihr Kinn streifte seine Schulter, und herabhängendes Metall stieß leicht von hinten gegen seine Beine. Es war ein langer, zärtlicher, ausdauernder Kuss, der seinen Körper von Kopf bis Fuß kribbeln ließ.
Sie löste sich aus der Umarmung. »Es ist eine ganze Zeit her, Cas.«
»Ich weiß.«
»Zu lange.«
»Ich weiß.«
Sie nickte zum Fenster hinüber. »Sie vermissen dich.«
»Kann ich …«
»Du weißt doch, dass du kannst.«
Sie führte ihn zur Tür, in den kleinen Flur, löste die Kette von ihrem Handgelenk und hängte sie an einen Haken, so dass das kreuzförmige Messer hinunterbaumelte. Das älteste Mädchen kam aus dem Zimmer gestürmt und erstarrte, als sie ihn sah.
»Ich bin’s.« Er näherte sich ihr langsam, seine Stimme klang erstickt. »Ich bin’s.« Die anderen beiden Kinder kamen aus dem Zimmer und spähten hinter ihrer Schwester hervor. Schenkt fürchtete niemanden, aber vor diesen Kindern war er ein Feigling. »Ich habe etwas für euch.« Mit bebenden Fingern griff er in seinen Mantel. »Cas.« Er hielt den geschnitzten Hund empor, und der Junge, der seinen Namen trug, riss ihm das Spielzeug lachend aus der Hand. »Kande.« Er legte den Vogel in die wie eine Schüssel vorgestreckten Hände der Kleinsten, und sie blickte stumm darauf. »Für dich, Tee.« Damit bot er die Katze dem ältesten Mädchen an.
Sie nahm sie an. »Das sagt niemand mehr zu mir.«
»Es tut mir leid, dass es schon so lange her ist.« Er berührte das Haar des Mädchens, und als es zusammenzuckte, riss er schnell die Hand weg, unangenehm berührt. Er fühlte das Gewicht der Metzgersichel in seinem Mantel, als er sich bewegte, und er richtete sich ruckartig auf und trat einen Schritt zurück. Die drei starrten zu ihm hinauf, die geschnitzten Tiere fest in den kleinen Händen.
»Jetzt aber ins Bett«, sagte Schylo. »Er wird auch morgen noch da sein.« Ihre Augen lagen auf ihm, tiefe Falten über der sommersprossigen Nasenwurzel. »Das bist du doch, oder, Cas?«
»Ja.«
Sie überging den Protest der Kinder und deutete auf die Treppe. »Ins Bett.« Langsam kletterten sie im Gänsemarsch nach oben, eine Stufe nach der anderen, der Junge gähnte, die Jüngste ließ den Kopf hängen, und die Älteste beklagte sich, dass sie nicht müde sei. »Ich komme später hoch und singe euch etwas vor. Wenn ihr bis dahin leise
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