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Racheklingen

Racheklingen

Titel: Racheklingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Abercrombie
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Ansicht kam, dass Menschen mit derart hoher Meinung von sich selbst die Geduld anderer deutlich strapazierten.
    »Also hören Sie. Töten Sie Monzcarro Murcatto. Töten Sie Nicomo Cosca. Töten Sie die Gräfin Cotarda von Affoia. Töten Sie Herzog Lirozio von Puranti. Töten Sie den Ersten Bürger Patine von Nicante. Töten Sie Kanzler Sotorius von Sipani. Töten Sie Großherzog Rogont, bevor er gekrönt werden kann. Vielleicht wird mir Styrien nicht gehören, aber ich werde meine Rache nehmen. Darauf können Sie sich verlassen.«
    Morveer hatte wärmstens gelächelt, als der Herzog mit seiner Liste begann. Als er am Ende angekommen war, lächelte der Giftmischer nicht mehr, es sei denn, man hätte das verkrampfte Grinsen so bezeichnen wollen, das er mit allergrößter Mühe auf seinem bebenden Gesicht behielt. Offenbar war er bei seinem kühnen Spiel bemerkenswert über das Ziel hinausgeschossen. Die Lage erinnerte ihn unvermittelt an seinen Versuch, vieren seiner Peiniger im Waisenhaus ordentliches Unbehagen zu bereiten, indem er Lankam-Salz ins Wasser schüttete, was dann natürlich zum vorzeitigen Tod aller Angestellten und auch der meisten Kinder führte.
    »Euer Exzellenz«, krächzte er, »das ist eine beträchtliche Zahl von Morden.«
    »Und ein paar schöne Namen für Ihre kleine Liste, nicht wahr? Der Lohn wird ebenso schön sein, darauf können Sie sich verlassen, nicht wahr, Meister Sulfur?«
    Sulfurs verschiedenfarbige Augen hoben sich von seinen Fingernägeln zu Morveers Gesicht. »Das wird er. Sie müssen wissen, ich vertrete das Bankhaus Valint und Balk.«
    Morveer zuckte zusammen. »Ah. Ich hatte wirklich nicht die
geringste
Ahnung, verstehen Sie …« Wie sehr wünschte er sich nun, Day nicht umgebracht zu haben. Er hätte sie mit viel Geschrei als die eigentliche Schuldige präsentieren können und hätte etwas Greifbares zu bieten gehabt, womit der Herzog seine Kerker hätte schmücken können. Glücklicherweise schien Meister Sulfur nicht auf der Suche nach einem Sündenbock zu sein. Noch nicht.
    »Oh, aber Sie waren doch nur die Waffe, wie Sie schon sagten. Wenn Sie in unseren Händen ebenso tödlich sind, dann müssen Sie sich keine Sorgen machen. Und davon abgesehen war Mauthis ein schrecklicher alter Langweiler. Sagen wir, bei Erfolg zahlen wir die Summe von einer Million Waag?«
    »Einer … Million?«, hauchte Morveer.
    »Alles, was lebt, kann dieses Leben verlieren.« Orso beugte sich vor, die Augen starr auf Morveers Gesicht geheftet. »Und jetzt fangen Sie schon an!«
     
    Die Nacht zog herauf, als sie den Ort erreichten. Lichter brannten hinter den verdreckten Fensterscheiben, Sterne funkelten am samtigen Himmel wie Diamanten auf dem Tuch eines Juwelenhändlers. Schenkt hatte Affoia nie gemocht. Er hatte hier studiert, als junger Mann, bevor er je vor seinem Meister gekniet und bevor er sich geschworen hatte, nie wieder zu knien. Er hatte sich hier verliebt, in eine Frau, die zu reich, zu alt und viel zu schön für ihn war, und hatte sich dabei zu einem winselnden Narren gemacht. Die Straßen waren nicht nur mit alten Säulen und durstigen Palmen flankiert, sondern auch mit den bitteren Resten seiner kindischen Scham, Eifersucht und schreienden Ungerechtigkeit. Seltsam, dass sich die Wunden der Jugend nie wirklich schließen, ganz gleich, welch eine harte Haut man sich im Verlauf des Lebens zulegt. Schenkt mochte Affoia nicht, aber die Spur hatte ihn hierhergeführt. Mehr als hässliche Erinnerungen waren nötig, damit er eine Aufgabe nicht zu Ende brachte.
    »Das ist das Haus?« Es lag verborgen in den gewundenen Gässchen des ältesten Viertels der Stadt, weitab von den großen Durchgangsstraßen, wo die Namen der Männer, die sich um öffentliche Ämter bewarben, an die Wände geschmiert standen, ergänzt um ihre großen Fähigkeiten und um andere, weniger schmeichelhafte Worte und Bilder. Ein kleines Gebäude, mit gebogenen Türstürzen und einem eingesunkenen Dach, das sich zwischen ein Lagerhaus und einen klapprigen Schuppen kauerte.
    »Das ist das Haus.« Die Stimme des Bettlers war so weich und ekelhaft wie eine verdorbene Frucht.
    »Gut.« Schenkt drückte fünf Waag in die schorfige Handfläche des Mannes. »Das ist für dich.« Er schloss die Faust des Mannes um das Geld und hielt sie dann fest. »Kehre nie wieder hierher zurück.« Er beugte sich näher zu ihm, drückte noch fester. »Niemals.«
    Er glitt über das Kopfsteinpflaster und über die Mauer kurz vor dem Haus.

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