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Racheklingen

Racheklingen

Titel: Racheklingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Abercrombie
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lockern, ständig wie eine schwachsinnige Eule den Kopf zur Seite ruckte. Sobald die eine Quelle verschwitzter Pein kurz verebbte, tat sich eine andere auf, um die Lücke zu füllen. Ihr blöder, abstehender kleiner Finger schien an einer Schnur kalten Schmerzes zu hängen, die sich erbarmungslos mit dem Ellenbogen verband, sobald sie versuchte, die Hand zu benutzen. Die Sonne brannte gnadenlos vom wolkenlosen, blauen Himmel, zwang sie, die Augen zusammenzukneifen, und zerrte an den Kopfschmerzen, die von den Münzen in ihrem Schädel ausgingen. Schweiß kitzelte ihre Kopfhaut, lief ihr den Hals hinunter, fing sich in den Narben, die Gobbas Draht hinterlassen hatte, und ließ sie wie wild jucken. Ihre prickelnde Haut war gereizt, klamm, klebrig. Sie köchelte in ihrer Rüstung wie weggeworfene Innereien in einer Dose.
    Rogont hatte sie so eingekleidet, dass sie der Vorstellung eines schlichten Gemüts von der Göttin des Krieges entsprechen mochte: eine unglückliche Verbindung aus schimmerndem Stahl und bestickter Seide, die so bequem war wie eine komplette Rüstung und ungefähr so viel Schutz bot wie ein Nachthemd. Zwar hatte Rogonts persönlicher Rüstungsschmied alles nach Maß gefertigt, aber trotzdem ließ ihr goldgestrählter Brustpanzer wesentlich mehr Platz für ihren Busen, als nötig gewesen wäre. Denn das, so hatte der Große Zauderer behauptet, wollten die Leute sehen.
    Menschen säumten die engen Straßen von Talins. Sie drängten sich in den Fenstern und auf den Dächern, nur um einen Blick auf sie zu erhaschen. Sie schoben sich in beängstigendem Gedränge über die Plätze und durch die Gärten, warfen Blumen, winkten mit Fahnen und schienen voller überbordender Hoffnung zu sein. Sie schrien, grölten, brüllten, kreischten, klatschten, trampelten und heulten, und jeder schien es darauf anzulegen, unbedingt der Erste zu sein, der mit seinem Gejohle ihren Kopf platzen ließ. Musikergruppen hatten sich an den Straßenecken zusammengefunden und spielten kriegerische Weisen, wenn sie näher kam, quäkend und trötend. Wenn sie vorübergeritten war, vermischte sich der letzte Krach mit den schiefen Tönen der nächsten spontan zusammengekommenen Kapelle zu einem kopflosen, mörderischen, patriotischen Dröhnen.
    Es war wie bei dem Triumphzug nach dem Sieg bei Föhrengrund, nur war sie jetzt älter und hatte noch weniger für diese Art von Auftritten übrig, ihr Bruder verfaulte in der Erde, statt sich in ihrem Ruhm zu sonnen, und anstelle ihres alten Freundes Orso hatte sie nun ihren alten Feind Rogont im Rücken. Vielleicht lief es in der Geschichte immer auf so etwas hinaus, und man konnte allenfalls darauf hoffen, einen angriffslustigen Drecksack gegen einen anderen auszutauschen.
    Sie überquerten die Tränenbrücke, die Münzenbrücke, die Möwenbrücke. Aus Stein gehauene Seevögel starrten böse auf den Zug hinunter, und die braunen Wasser der Etris strömten zäh zwischen den Pfeilern hindurch. Jedes Mal, wenn sie um eine Ecke bog, brandete eine neue Welle Applaus gegen sie. Eine neue Welle Übelkeit. Ihr Herz klopfte. Sie rechnete jeden Augenblick damit, getötet zu werden. Klingen und Pfeile erschienen ihr so viel wahrscheinlicher als Blumen und freundliche Worte, und wesentlich verdienter. Agenten Herzog Orsos oder seiner unionistischen Verbündeten, oder Hunderte andere, die einen Groll gegen sie hegten. Verdammt, wenn sie in einer Menge gestanden und eine Frau in ihrem Aufzug hätte vorüberreiten sehen, sie hätte sie schon allein aus Prinzip getötet. Aber Rogont hatte mit seinen Gerüchten den Boden gut bereitet. Die Menschen in Talins liebten sie. Oder liebten die Vorstellung, die sie von ihr hatten. Oder mussten so tun als ob.
    Sie skandierten ihren Namen, den Namen ihres Bruders, die Namen ihrer Siege. Afieri. Caprile. Musselia. Föhrengrund. Das Hohe Ufer. Nun auch die Furten der Sulva. Sie fragte sich, ob die Leute wussten, worüber sie eigentlich jubelten. Orte, an denen sie eine Spur aus Leichen hinter sich zurückgelassen hatte. Cantains Kopf, der über den Toren von Borletta verrottete. Das Messer in Hermons Auge. Gobba, in Stücke gehackt, den die Ratten in der Gosse zu ihren Füßen zerrissen. Mauthis und seine Schreiber mit den vergifteten Hauptbüchern, den vergifteten Fingern, den vergifteten Zungen. Ario und seine abgeschlachteten Saufkumpane bei Cardotti, Ganmark und seine getötete Leibgarde, der Getreue, der vom Mühlrad hing, Foscars aufgeplatzter Kopf auf dem

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