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Racheklingen

Racheklingen

Titel: Racheklingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Abercrombie
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ihn wie ein Blitz, und jedes Haar an seinem Körper richtete sich plötzlich auf. Es war eine Idee von derartig schillernder Brillanz und gleichzeitig so überragender Einfachheit, dass sie ihm selbst geradezu unheimlich erschien. Welch eine unglaubliche Kühnheit, welch wunderbar sparsame Wahl der Mittel, welch herrliche Ironie. Er wünschte sich nur, dass Day noch am Leben gewesen wäre, um sein Genie zu würdigen.
    Morveer löste den kleinen, verborgenen Riegel in seiner Werkzeugkiste und hob den Einsatz mit den Zimmermannsutensilien heraus. Darunter lagen ein sorgsam gefaltetes seidenes Hemd und eine bestickte Jacke, die Kleidung, in der er fliehen würde. Die wahren Werkzeuge befanden sich darunter. Vorsichtig zog er die Handschuhe an – Damenhandschuhe aus feinstem Kalbsleder, weil sie seine geschickten Finger bei der komplizierten Ausführung am wenigsten behinderten – und griff nach einer braunen Glasflasche. Er tat das mit leichtem Schaudern, denn sie enthielt ein Kontaktgift, das er selbst entwickelt hatte und das er Präparat Nummer zwölf nannte. Er würde den Fehler, den er bei Sotorius gemacht hatte, nicht wiederholen, denn dies war ein so tödliches Gift, dass nicht einmal Morveer selbst dagegen hatte immun werden können.
    Mit größter Sorgfalt drehte er den Deckel auf – Vorsicht stand immer an erster Stelle –, nahm einen feinen Pinsel zur Hand und begann seine Arbeit.

DAS GESETZ DES KRIEGES
    Cosca kroch durch den Tunnel, seine Knie und sein Rücken schmerzten heftig von der gebückten Haltung, und sein harter Atem hallte in der stickigen Luft. Er hatte sich in den letzten Wochen viel zu sehr daran gewöhnt, nichts weiter zu tun als herumzusitzen und allenfalls seine Kaumuskeln zu bewegen. Still schwor er sich, jeden Morgen ein wenig Sport zu betreiben, und wusste dabei, dass er diesen guten Vorsatz schon morgen vergessen haben würde. Dennoch war es besser, zumindest einen Eid zu schwören und ihn dann nicht zu halten, als es nicht einmal bis zu diesem Eid zu bringen. Oder nicht?
    Sein Degen schabte bei jedem Schritt Erde von den gestampften Wänden. Er hätte das verdammte Ding gar nicht mitnehmen sollen. Nervös sah er auf die schimmernde Spur schwarzen Pulvers, die sich in den Schatten verlor, und hielt seine flackernde Lampe so weit wie möglich davon entfernt, obwohl sie aus dickem Glas und schwerem Gusseisen bestand. Offenes Feuer und Gurkhisenzucker waren auf engem Raum schlechte Bettgenossen.
    Vor sich sah er ebenfalls ein flackerndes Licht und hörte schweren Atem, dann öffnete sich der schmale Gang zu einer Kammer, die von zwei blakenden Laternen erhellt wurde. Sie war nicht größer als ein durchschnittliches Schlafzimmer, die Wände und Decke bestanden aus vernarbtem Fels und festgestampfter Erde, die von einem Netz wacklig aussehender Balken gestützt wurde. Mehr als die Hälfte dieses Raums war mit großen Fässern gefüllt, an deren Seite ein einziges gurkhisisches Wort prangte. Coscas Kantesisch reichte gerade mal dazu, einen Schnaps zu bestellen, aber dennoch erkannte er die Zeichen für Feuer. Sesaria war als großer, dunkler Umriss im dämmrigen Licht zu erkennen, die langen, schlangengleichen, grauen Haarsträhnen umrahmten sein Gesicht, und Schweißtropfen schimmerten auf seiner schwarzen Haut, als er ein Fässchen hochwuchtete.
    »Es ist so weit«, sagte Cosca, dessen Stimme in der toten Luft unter dem Berg flach klang. Erleichtert richtete er sich auf, dann packte ihn leichter Schwindel, als ihm das Blut in den Kopf schoss, und er taumelte zur Seite.
    »Aufpassen!«, kreischte Sesaria. »Was machst du da mit dieser Lampe, Cosca! Ein Funken am falschen Ort, und das Zeug pustet uns beide sofort in den Himmel!«
    »Mach dir mal darüber keine Sorgen.« Er hatte seine Beine wieder in der Gewalt. »Ich bin kein religiöser Mensch, aber ich bezweifle stark, dass man auch nur einen von uns in die Nähe des Himmels lassen wird.«
    »Dann eben in die Hölle.«
    »Das ist wesentlich eher möglich.«
    Sesaria schnaufte, als er mit viel Schwung das letzte Fass dicht neben die anderen schob. »Sind die anderen alle draußen?«
    »Sie sollten jetzt wieder in den Gräben sein.«
    Der massige Mann wischte sich die Hände an seinem speckigen Hemd ab. »Dann sind wir so weit, mein General.«
    »Hervorragend. Die letzten Tage haben sich geradezu dahingeschleppt. Wenn man bedenkt, wie kurz das Leben ist, dann ist es doch ein Verbrechen, dass man sich überhaupt jemals langweilt. Wenn man

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