Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Racheklingen

Racheklingen

Titel: Racheklingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Abercrombie
Vom Netzwerk:
Gattin eines der führenden Kaufleute von Talins sich beim gleichen Schneider ebenfalls ein smaragdgrünes Kleid bestellt hatte, aber leider von einer unerklärlichen Krankheit daran gehindert wurde, an dem Abend zu erscheinen. Sie verfiel zusehends und verstarb leider binnen weniger Stunden.
    Fünf Abende später, nachdem er einen höchst ungemütlichen Nachmittag unter einem Kohlenhaufen verbracht und nur durch ein Röhrchen hatte atmen können, war es ihm gelungen, die Austern von Herzog Lirozio mit Spinnengift zu präparieren. Wäre Day bei ihm in der Küche gewesen, dann hätte sie vielleicht vorgeschlagen, sich eher für ein schlichteres Grundnahrungsmittel zu entscheiden, aber Morveer konnte nicht widerstehen, sich ausgerechnet das ausgefallenste Gericht vorzunehmen. Allerdings fühlte der Herzog sich nach einem üppigen Mittagessen etwas unwohl und nahm nur ein wenig Brot. Die Meeresfrüchte wurden der Küchenkatze vorgeworfen, die inzwischen das Zeitliche gesegnet hatte.
    In der folgenden Woche hatte er sich, wieder einmal in der Verkleidung des Purantiner Weinhändlers Rotsac Reevrom, in ein Treffen eingeschlichen, bei dem Handelserleichterungen besprochen wurden und bei dem Kanzler Sotorius von Sipani den Vorsitz führte. Während des Essens hatte er mit einem der Mitarbeiter des uralten Staatsmanns ein lebhaftes Gespräch über Trauben begonnen, und dabei war es ihm gelungen, den oberen Teil von Sotorius’ verwitterter Ohrmuschel unentdeckt mit Leopardenblumenlösung einzustreichen. Höchst entzückt hatte er sich zurückgelehnt und den Rest des Treffens mitverfolgt, aber der Kanzler hatte sich standhaft geweigert, zu sterben, und stattdessen vielmehr den Eindruck vermittelt, er erfreue sich unanständig guter Gesundheit. Morveer konnte schließlich nur vermuten, dass Sotorius allmorgendlich ähnliche Vorbereitungen traf wie er selbst und gegen eine unbekannte Anzahl von Giften immun war.
    Aber Castor Morveer war kein Mann, der sich von ein paar Rückschlägen aus der Bahn werfen ließ. Er hatte im Leben einige hinnehmen müssen, und er sah keinen Grund, sein Erfolgsrezept aus Gleichmut und Gelassenheit zu verwerfen, nur weil die Aufgabe unlösbar erschien. Da die Krönung nun unmittelbar bevorstand, hatte er beschlossen, sich auf die wichtigsten Zielpersonen zu konzentrieren: Großherzog Rogont und seine Geliebte, Morveers ehemalige Auftraggeberin, die jetzige Großherzogin von Talins, Monzcarro Murcatto.
    Zu sagen, dass man keine Kosten und Mühen gescheut hatte, um die Krönung zu einem unvergesslichen Erlebnis in Styriens kollektiver Erinnerung zu machen, wäre eine gewaltige Untertreibung gewesen. Die Gebäude, die den Platz umschlossen, waren alle frisch gestrichen worden. Die steinerne Plattform, von der Murcatto ihre unsichere Rede gehalten hatte und von der aus Rogont als König von Styrien die Bewunderung seiner Untertanen entgegenzunehmen plante, hatte man mit neuem Marmor belegt und mit einem vergoldeten Geländer ausgestattet. Arbeiter kletterten an Seilen und Gerüsten über die hoch aufragende Front des Senatsgebäudes, schmückten das uralte Mauerwerk mit frischen weißen Blumen und verwandelten das trutzige Bauwerk in einen mächtigen Tempel zu Ehren der Eitelkeit des Großherzogs von Ospria.
    Morveer, der nun zu seinem großen Bedauern allein arbeiten musste, hatte sich die Kleidung, die Werkzeugkiste und die Papiere eines wandernden Zimmermannsgesellen zugelegt, der auf der Suche nach Arbeit in die Stadt gekommen war und von daher auch von niemandem vermisst werden würde. In dieser unauffälligen Verkleidung hatte er sich am Vortag beim Senatsgebäude umgesehen, die Umgebung ausgekundschaftet und sich einen Plan zurechtgelegt. Währenddessen hatte er nur so nebenbei einige anspruchsvolle Arbeiten an einer Balustrade durchgeführt und dabei überragende Fähigkeiten unter Beweis gestellt. Er war ein Verlust für die Zimmermannsgilde, aber dennoch hatte er es keinen Augenblick aus den Augen verloren, dass er sich in erster Linie dem mörderischen Geschäft verschrieben hatte. Heute war er zurückgekehrt, um seine kühnen Überlegungen in die Tat umzusetzen. Und um Großherzog Rogont hinzurichten.
    »Tag«, knurrte er einem der Wachleute zu, als er mit den anderen Arbeitern, die gerade ihre Mittagspause beendet hatten, durch die breite Tür schritt; dabei kaute er mit einem so missmutigen Gesicht, wie er es oft bei einfachen Leuten auf dem Weg zu ihrer Arbeit gesehen hatte, an einem

Weitere Kostenlose Bücher