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Racheklingen

Racheklingen

Titel: Racheklingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Abercrombie
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Augenblicke dehnten sich aus.
    Cosca klappte ein Auge auf. Ein leuchtend blauer Schmetterling flatterte ahnungslos herab, umkreiste die sich duckenden Söldner und ließ sich schließlich friedlich auf einer Speerklinge nieder. Victus selbst hatte sich den Helm direkt über das Gesicht gezogen. Nun schob er ihn langsam zurück und sah ein wenig verwirrt um sich.
    »Was, zur Hölle, ist passiert? Wurde die Lunte angebrannt? Wo ist Sesaria?«
    In Coscas Kopf formte sich plötzlich das Bild einer verlöschenden Pulverspur, von Victus’ Leuten, die sich in der dichten Dunkelheit voranmühten, die Lampen erhoben, von Licht, das auf Sesarias Leichnam fiel, der, durchbohrt von einem Degen mit leicht erkennbarem, vergoldetem Korb im Gang lag. »Äh …«
    Ein ganz leichter Schauer ließ die Erde hinter Coscas Rücken erbeben. Kurz darauf erfolgte eine donnernde Detonation, so laut, dass ihm ein heftiger Schmerz durch den Kopf schoss. Plötzlich wurde die Welt völlig still, abgesehen von einem leisen, sehr hohen Pfeifen. Die Erde zitterte. Wind kam auf und fuhr durch den Graben, riss an seinem Haar und warf ihn beinahe um. Eine Wolke erstickenden Staubs erfüllte die Luft, biss in seinen Lungen und verursachte Hustenreiz. Schotter regnete vom Himmel, und er keuchte, als die kleinen Steinchen auf seine Arme, seine Kopfhaut prallten. Er duckte sich wie ein Mann, der von einem Wirbelsturm überrascht wird, jeder Muskel angespannt. Wie lange, das wusste er nicht.
    Schließlich öffnete er wieder die Augen, lockerte schwerfällig seine schmerzenden Glieder und kam mühsam auf die Beine.
    Die Welt war ein geisterhafter Ort, über den schweigender Nebel zog. Das Land der Toten, ganz sicher, in dem Männer und Ausrüstung nicht mehr als Phantome in der Düsternis darstellten. Andere standen auf, sahen sich mit starren Augen um, die Gesichter mit grauem Staub bedeckt. Nicht weit entfernt lag jemand still in einer Lache am Grund des Grabens, den Helm von einem dicken Felsbrocken eingeschlagen, den die leichtfertigen Schicksalsgöttinnen direkt auf seinen Kopf gelenkt hatten. Cosca schielte über die Kante des Grabens, blinzelte zur Kuppe des Berges und versuchte, im sich allmählich setzenden Staub etwas zu erkennen.
    »Oh.« Die Mauern von Fontezarmo erschienen unbeschädigt, die Türme und Zinnen hoben sich immer noch klar vor dem bleigrauen Himmel ab. Ein riesenhafter Krater war in den Felsen gerissen worden, aber der große, runde Turm darüber hing noch immer stur am Mauerwerk, allerdings über einem großen, leeren Loch. Einen kurzen Augenblick erschien diese Erkenntnis die vielleicht niederschmetterndste Enttäuschung in Coscas ganzem Leben, in dem es an Enttäuschungen insgesamt nicht gerade gemangelt hatte.
    Dann aber, in traumähnlicher Stille und mit sirupartiger Langsamkeit, neigte sich dieser Turm, bäumte sich auf, brach in sich zusammen und stürzte in den gähnenden Krater. Ein großes Stück der Mauern daneben wurde mitgerissen; sie falteten sich unter dem eigenen Gewicht zusammen und zerfielen zu Schutt. Eine von Menschenhand gemachte Lawine aus vielen hundert Tonnen von Trümmern rollte, sprang, krachte auf die Gräben zu.
    »Ah«, sagte Cosca geräuschlos.
    Zum zweiten Mal warfen sich die Männer auf den Bauch, bedeckten die Köpfe, beteten zu den Schicksalsgöttinnen oder jenen anderen Göttern oder Geistern, an die sie hinsichtlich ihres Überlebens glauben mochten oder nicht. Cosca blieb stehen und sah fasziniert zu, wie ein großes Mauerbruchstück, das vielleicht zehn Tonnen wiegen mochte, direkt auf ihn zugerollt kam, hüpfte, sich drehte und dabei nicht mehr Geräusche machte als vielleicht ein ganz leises Knirschen, als ginge man über Kies. Es kam vielleicht zehn Schritte von ihm entfernt zum Stehen, schaukelte sanft erst zu einer, dann zur anderen Seite, und dann blieb es liegen.
    Eine zweite Staubwolke hatte den Graben in erstickende Düsternis getaucht, aber als sie sich allmählich wieder setzte, konnte Cosca erkennen, dass eine enorme Bresche in den Mauern von Fontezarmo klaffte, die mindestens zweihundert Schritt in der Breite maß, während der Krater, der sich zuvor aufgetan hatte, nun mit nachsackendem Schutt gefüllt war. Ein zweiter Turm in der Nähe hatte sich besorgniserregend geneigt, wie ein Betrunkener, der über eine Klippe zu sehen versuchte, und schien bereit, von einem Augenblick zum nächsten ins Leere zu fallen.
    Er sah, dass Victus neben ihm stand, seinen Degen hob und schrie. Die

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