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Racheklingen

Racheklingen

Titel: Racheklingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Abercrombie
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Sie hielt sich an dem vergoldeten Geländer fest, holte mit bebender Brust Luft und sank inmitten raschelnder roter Seide zu Boden. Wie aus einem Mund zogen die Zuschauer erschreckt die Luft ein.
    »… vereint …«, flüsterte Rogont. Kanzler Sotorius brach zitternd in die Knie, eine rosafleckige Hand an die faltige Kehle gelegt. Patine kroch inzwischen auf allen vieren, tiefrot im Gesicht, und die Adern am Hals traten stark hervor. Lirozio fiel auf die Seite, Monza zugewandt, und atmete nur noch schwach. Seinen rechten Arm streckte er nach hinten, die zuckende Hand ebenfalls rosa verfärbt. Cotardas Beine zuckten krampfhaft, dann lag sie still. Die Menge schwieg die ganze Zeit über. Versteinert. Unsicher, ob das vielleicht ein verrückter Einfall war, der zur Veranstaltung dazugehörte. Ein scheußlicher Witz. Patine fiel vornüber. Sotorius stürzte auf den Rücken, die Wirbelsäule durchgedrückt, die Absätze seiner Schuhe schabten quietschend über das polierte Holz, dann wurde sein Körper schlaff.
    Rogont glotzte Monza an, und sie glotzte zurück, so erstarrt und hilflos, wie sie es gewesen war, als sie Bennas Tod miterleben musste. Er öffnete den Mund, streckte ihr eine Hand entgegen, aber kein Atemzug war zu hören. Seine Stirn war unter dem pelzbesetzten Rand der Krone zornesrot geworden.
    Die Krone. Sie alle hatten die Krone berührt. Ihre Augen glitten zu ihrer behandschuhten Rechten. Alle außer ihr.
    Rogonts Gesicht verzerrte sich. Er machte einen Schritt, sein Knöchel gab nach und er fiel vornüber, die hervorquellenden Augen starrten blicklos zur Seite. Die Krone rutschte von seinem Schädel, trumpfte einmal auf, rollte über die intarsiengeschmückte Plattform und fiel dann klappernd herunter. Jemand im Publikum stieß einen einzigen, ohrenbetäubenden Schrei aus.
    Dann ertönte das Geräusch eines fallenden Gegengewichts, ein hölzernes Klappern, und tausend weiße Singvögel wurden aus den Käfigen freigelassen, die man überall am Rand des Saales versteckt hatte. Sie erhoben sich in einem wunderschönen, wirbelnden Sturm in die klare Nachtluft.
    Genau, wie Rogont es geplant hatte.
    Außer dass von den sechs Männern und Frauen, die Styrien hatten vereinen und die Blutigen Jahre hatten beenden wollen, nur noch Monza am Leben war.

ZU STAUB GEWORDEN
    Espe erfüllte es mit mehr als nur ein wenig Befriedigung, dass Großherzog Rogont tot war. Vielleicht hätte er König Rogont sagen sollen, aber eigentlich war das nun auch egal, und dieser Gedanke ließ Espe nur noch etwas breiter grinsen.
    Man kann, solange man am Leben ist, so großartig und wichtig sein, wie man will. Wenn man erst einmal wieder zu Schlamm geworden ist, macht das alles überhaupt keinen Unterschied mehr. Und dazu reicht eine Kleinigkeit. Kann in einem winzigen Augenblick passieren. Ein alter Freund von Espe hatte alle sieben Tage Kampf bei den Hohen Höhen ohne einen Kratzern überstanden. Am Morgen darauf stach er sich an einem Dorn, als sie das Tal wieder verließen, bekam Wundbrand in seiner Hand und starb wild vor sich hin brabbelnd ein paar Nächte später. Ohne irgendeinen Sinn. Ohne irgendeine Lehre, die man daraus hätte ziehen können. Außer vielleicht, sich vor Dornen zu hüten.
    Aber auch ein edler Tod wie der, den sich Rudd Dreibaum erkämpft hatte, als er den Ausfall anführte und mit dem Schwert in der Hand starb, war um nichts besser. Vielleicht würden die Männer später Lieder darüber singen, grölend und falsch, wenn sie betrunken waren, aber für den, der starb, war der Tod der Tod, für alle gleich. Der Große Gleichmacher, so nannten ihn die Bergmenschen. Edelleute und Bettler, er machte keinen Unterschied.
    Rogonts große, hochfliegende Pläne waren nun zu Staub geworden. Seine Macht war wie Nebel, den die Morgenbrise vertrieb. Espe, nichts weiter als ein einäugiger Mörder, der gestern noch nicht einmal die Stiefel des Königs hätte lecken dürfen, war an diesem Morgen weitaus besser dran. Er warf noch immer einen Schatten. Wenn es eine Lehre gab, dann diese – nimm, was du kriegen kannst, solange du noch atmest. Die Erde hält nichts außer Dunkelheit bereit.
    Sie ritten aus dem Durchgang und in den Äußeren Hof von Fontezarmo, und Espe stieß einen leisen, langen Pfiff aus.
    »Die waren hier ja ganz schön fleißig.«
    Monza nickte. »Zumindest haben sie einiges abgerissen. Offenbar hat das Geschenk des Propheten funktioniert.«
    Es war eine fürchterliche Waffe, dieser Gurkhisenzucker. Ein

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