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Racheklingen

Racheklingen

Titel: Racheklingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Abercrombie
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Cotarda trug das Scharlachrot von Affoia. Der Saum von Sotorius’ schwarzem Gewand war mit goldenen Muscheln besetzt, Lirozios goldfarbenes Cape mit der Brücke von Puranti verziert. Sie waren wie Schauspieler, die in einem billigen Mysterienspiel die Städte Styriens darstellten, allerdings mit enorm teurer Ausstattung. Selbst Patine hatte sich von seiner üblichen Zuschaustellung der Bescheidenheit verabschiedet und seine grob gesponnene Bauernkluft gegen grüne Seide, Pelz und funkelnde Juwelen eingetauscht. Sechs Ringe waren das Wappen von Nicante, aber er trug mindestens neun, und einer davon war mit einem Smaragd geschmückt, der so groß war wie Freundlichs Würfel.
    Aus der Nähe betrachtet, schien niemand von ihnen mit seiner Rolle besonders glücklich zu sein. Wie eine Gruppe, die im Zustand völliger Betrunkenheit zugestimmt hatte, am frühen Morgen ins eiskalte Meer zu springen und nun, da der Augenblick gekommen war, ernüchtert gern davon Abstand genommen hätte.
    »Also«, brummte Monza, als die Musiker zum Ende ihres Lieds gekommen waren und die letzten Töne verklangen. »Da wären wir.«
    »So ist es.« Sotorius ließ seine entzündeten Augen über die murmelnde Menge gleiten. »Hoffen wir, dass die Krone groß ist. Hier kommt der aufgeblasenste Kopf Styriens.«
    Eine ohrenbetäubende Fanfare erklang hinter ihnen. Cotarda zuckte zusammen und strauchelte, und sie wäre sicher gestürzt, wenn Monza sie nicht instinktiv am Ellenbogen gepackt hätte. An der Rückseite des großen Saals öffneten sich die Türen, und während die lauten Trompeten verklangen, setzte ein seltsamer Gesang ein: Zwei Stimmen, hoch und rein, flossen über das Publikum dahin. Rogont trat lächelnd in den Senatssaal, und seine Gäste brachen in wohl geübten Applaus aus.
    Der zukünftige König, ganz in osprianisches Blau gekleidet, sah sich mit bescheidener Überraschung um, während er die Stufen hinabschritt. All das, nur für mich? Das wäre doch nicht nötig gewesen! Wobei er doch jede Einzelheit höchstselbst geplant hatte. Monza fragte sich kurz – und nicht zum ersten Mal –, ob Rogont sich als wesentlich schlechterer König erweisen würde als Orso. Ebenso gewissenlos, ebenso wenig loyal, aber wesentlich eitler und mit jedem Tag humorloser. Er drückte die Hände besonderer Lieblinge, legte großzügig die Hand auf ein oder zwei glückliche Schultern. Der überirdische Gesang begleitete ihn, als er durch die Menge schritt.
    »Höre ich die Geister?«, raunte Patine mit wachsender Verachtung.
    »Sie hören Jungs ohne Eier«, gab Lirozio zurück.
    Vier Männer in osprianischer Livree schlossen eine schwere Tür hinter der Plattform auf und traten in den Raum, dann kamen sie wenig später wieder heraus, unter dem Gewicht einer intarsiengeschmückten Kiste gebeugt. Rogont ging nun schnell an der ersten Reihe vorüber, drückte einigen ausgewählten Gesandten die Hände, widmete besonders der gurkhisischen Delegation viel Aufmerksamkeit und kostete den Beifall bis zum Äußersten aus. Schließlich schritt er die Stufen der Plattform empor und lächelte wie ein Kartenspieler, der ein hervorragendes Blatt auf der Hand hat und bereits weiß, dass seine Gegner ruiniert sind. »Liebe Freunde, liebe Freunde! Der Tag ist endlich gekommen!«
    »So ist es«, erwiderte Sotorius schlicht.
    »Welch glücklicher Tag!«, sang Lirozio.
    »Lange erhofft!«, ergänzte Patine.
    »Gut gemacht?«, versuchte es Cotarda.
    »Ich danke Ihnen allen.« Rogont wandte sein Gesicht wieder seinen Gästen zu, brachte ihren Beifall mit einer leisen Handbewegung zum Schweigen, ließ den Mantel hinter sich her schwingen, nahm auf dem Stuhl Platz und winkte Monza zu sich heran. »Keine Glückwünsche von Ihnen, Euer Exzellenz?«
    »Meinen Glückwunsch«, zischte sie.
    »Wie gnädig.« Er beugte sich näher zu ihr und raunte leise: »Du bist letzte Nacht nicht zu mir gekommen.«
    »Anderweitige Verpflichtungen.«
    »Tatsächlich?« Rogont hob die Augenbrauen, als könne er gar nicht begreifen, dass irgendetwas wichtiger sein könnte, als mit ihm ins Bett zu steigen. »Ich vermute, dass eine Regentin viele Dinge hat, die ihre Zeit beanspruchen. Nun denn.« Er winkte mit verächtlicher Handbewegung ab.
    Monza knirschte mit den Zähnen. In diesem Augenblick hätte sie liebend gern auf ihn gepisst.
    Die vier Träger setzten ihre Last hinter dem Thron ab, einer von ihnen drehte den Schlüssel im Schloss und hob mit großer Geste den Deckel. Ein Seufzen ging

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