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Racheklingen

Racheklingen

Titel: Racheklingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Abercrombie
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unaufhaltsamen Vorrücken über die letzten Überreste der sorgsam angelegten Grasflächen. Das Zucken ihrer Lippen, das zarte Knabbern der Zähne, die winzigen Bewegungen, die in geduldiger Wiederholung dazu führen würden, dass irgendwann alle Pflänzchen in Reichweite bis auf die Wurzeln abrasiert sein würden. Er steckte sich einen Finger ins Ohr und bewegte ihn vorsichtig, um endlich das leise Pfeifen loszuwerden, das immer noch in seinem Gehör lebte. Es blieb hartnäckig da. Seufzend hob er seinen Flachmann, hörte Schritte auf dem Kies und hielt inne. Monza kam auf ihn zu. Sie sah mehr als nur ein wenig müde aus, den Mund verzerrt, die Augen umgeben von dunklen Ringen.
    »Wieso, zur Hölle, hast du eine Ziege?«
    Cosca nahm einen langsamen Schluck aus seinem Fläschchen, dann noch einen. »Edle Geschöpfe, diese Ziegen. Sie erinnert mich während deiner Abwesenheit daran, hartnäckig, entschlossen und arbeitsam zu bleiben. An irgendwas im Leben muss man schließlich festhalten, Monzcarro.« Die Ziege sah auf und gab ein scheinbar zustimmendes Meckern von sich. »Ich hoffe, du bist nicht beleidigt, wenn ich dir sage, dass du müde aussiehst.«
    »Es war eine lange Nacht«, murmelte sie, und Cosca vermutete, dass es sich dabei um eine ziemlich große Untertreibung handelte.
    »Davon bin ich überzeugt.«
    »Die Osprianer sind aus Talins abgezogen. Es kam zu einem Aufstand. Panik.«
    »Unvermeidlich.«
    »Jemand hatte das Gerücht verbreitet, die Flotte der Union sei auf dem Weg hierher.«
    »Gerüchte können mehr Schaden anrichten als Schiffe.«
    »Die Krone war vergiftet«, raunte sie.
    »Die Regenten Styriens, dahingerafft von ihrer eigenen Gier nach Macht. Darin liegt doch eine gewisse Symbolik, meinst du nicht? Mord und Metapher in einem. Der poetische Giftmischer, der dafür die Verantwortung trägt, hat einen Kanzler, einen Herzog, eine Gräfin, einen ersten Bürger und einen König umgebracht und der Welt an einem einzigen Abend eine unschätzbare Lektion über das Leben erteilt. Unser gemeinsamer Freund, Morveer?«
    Sie spuckte aus. »Vielleicht.«
    »Ich hätte nie gedacht, dass dieser pedantische Drecksack so viel Sinn für Humor hat.«
    »Entschuldige, wenn ich nicht lache.«
    »Wieso hat er dich verschont?«
    »Hat er nicht.« Monza hielt ihre behandschuhte Rechte hoch. »Das lag nur an meinem Handschuh.«
    Cosca konnte sich ein lautes Auflachen nicht verbeißen. »Stell dir doch nur mal vor, man könnte tatsächlich sagen, dass Herzog Orso und seine Leute gewissermaßen dein Leben retteten, indem sie dir die Hand zerschmetterten! Eine Ironie jagt die nächste!«
    »Vielleicht warte ich einen etwas ruhigeren Augenblick ab, um mich so richtig darüber zu amüsieren.«
    »Oh, ich amüsiere mich schon jetzt. Jahrelang habe ich auf ruhigere Augenblicke gewartet. Meiner Erfahrung nach kommen sie nie. Sieh dich doch nur einmal um. Die Affoianer sind beinahe alle vor dem Morgengrauen desertiert. Die Sipanier teilen sich jetzt schon in kleine Splittergrüppchen und ziehen sich nach Süden zurück – um gegeneinander zu kämpfen, wenn ich recht vermute. Das Heer von Puranti hatte es mit dem Bürgerkrieg dermaßen eilig, dass die Soldaten noch in den Schützengräben damit anfingen, einander umzubringen. Victus musste sie zur Ordnung rufen! Victus, der einen Kampf
unterbricht
, kannst du dir das vorstellen? Ein paar Osprianer sind noch hier, aber nur, weil sie keine Ahnung haben, wo sie eigentlich hinsollen. Sie rennen hier herum wie die kopflosen Hühner. Was sie vermutlich auch sind. Weißt du, mich überrascht es immer wieder, wie schnell alles auseinanderbrechen kann. Styrien war vielleicht eine Minute lang vereint, und jetzt herrscht noch größeres Chaos als zuvor. Wer weiß schon, wer die Macht ergreifen wird, wo und wie viel? Es könnte sein, dass das Ende der Blutigen Jahre …«, Cosca reckte das Kinn vor und kratzte sich am Hals, »vielleicht ein wenig verfrüht gefeiert wurde.«
    Monza schien die Schultern noch etwas weiter hängen zu lassen. »Die ideale Lage für einen Söldner, was?«
    »Sollte man vermuten. Aber es gibt auch tatsächlich ein Übermaß an Chaos, selbst für jemanden wie mich. Ich schwöre, die Tausend Klingen sind derzeit die disziplinierteste und am besten organisierte Truppe, die hier oben noch verblieben ist. Und das sollte dir eine Vorstellung davon vermitteln, in welchem Zustand sich deine Verbündeten momentan befinden.« Er streckte die Beine aus und schob einen

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