Racheklingen
Stiefel über den anderen. »Ich dachte, vielleicht nehme ich die Brigade mit nach Visserine, um dort meine Ansprüche durchzusetzen. Höchstwahrscheinlich wird Rogont unsere Vereinbarung jetzt nicht weiter halten können …«
»Bleib«, sagte sie und blickte ihm direkt in die Augen.
»Ich soll bleiben?«
»Bleib.«
Eine lange Pause folgte, in der sie einander ansahen. »Du hast nicht das Recht, das von mir zu verlangen.«
»Ich bitte dich darum. Hilf mir.«
»Dir … helfen? Das will ja schon was heißen, wenn ich als letzte Hoffnung übrig bin. Was ist mit deinen treuen Untertanen, den guten Leuten von Talins? Ist von denen denn keine Hilfe zu erwarten?«
»Auf einen Kampf sind sie längst nicht so scharf wie zuvor auf die Parade. Sie werden keinen Finger rühren, nur für den Fall, dass Orso doch wieder die Macht ergreift und jeden Mann aufknüpfen lässt.«
»Die Unsicherheiten im Machtgefüge, was? Du hast keine Truppe ausheben lassen, während du Regentin warst? Das ist doch gar nicht dein Stil.«
»Ich habe so viele Soldaten zusammengeholt, wie ich konnte, aber in diesem Kampf kann ich ihnen nicht vertrauen. Nicht gegen Orso. Wer weiß, zu wem sie halten werden?«
»Ah, geteilte Treue. Damit habe ich ein bisschen Erfahrung.
Ein unvorhersehbares Szenario.« Cosca schob sich diesmal den Finger ins andere Ohr, aber das Pfeifen ließ sich einfach nicht vertreiben. »Hast du schon einmal darüber nachgedacht … es vielleicht ganz einfach … bleiben zu lassen?«
Sie sah ihn an, als hätte er in einer fremden Sprache gesprochen. »Was?«
»Ich selbst habe tausend verschiedene Aufgaben unerledigt abgebrochen, gar nicht erst angefangen oder bin an ihnen gescheitert, überall, auf der ganzen Breite des Weltenrunds. Letzten Endes haben sie mir wesentlich weniger zu schaffen gemacht als meine Erfolge.«
»Ich bin nicht du.«
»Eine Tatsache, die wir beide sicherlich unaufhörlich bedauern. Aber dennoch. Du könntest deine Rache vergessen. Du könntest Kompromisse eingehen. Du könntest … Erbarmen zeigen.«
»Erbarmen und Feigheit sind dasselbe«, knurrte sie und richtete die zusammengekniffenen Augen auf das schwarze Tor am Ende der zerstörten Gärten.
Cosca lächelte betrübt. »Ist das tatsächlich so?«
»Das Gewissen ist nur eine Ausrede, um nicht zu tun, was getan werden muss.«
»Ich verstehe.«
»Es hat keinen Zweck, darüber zu heulen. So ist die Welt nun einmal.«
»Ah.«
»Die Guten bekommen nichts geschenkt. Wenn sie sterben, dann verfaulen sie genau wie wir anderen auch. Du musst deine Augen nach vorn richten, immer nach vorn, und einen Kampf ausfechten. Du darfst niemals zögern, egal, was es kostet, egal, was …«
»Weißt du, wieso ich dich immer so sehr mochte, Monza?«
»Hm?« Ihre Augen richteten sich überrascht auf ihn.
»Auch noch, nachdem du mich verraten hattest? Sogar noch mehr, nachdem du mich verraten hattest?« Cosca beugte sich langsam zu ihr hinüber. »Weil ich weiß, dass du diesen ganzen Quatsch eigentlich gar nicht glaubst. Das sind die Lügen, die du dir selbst erzählst, damit du mit dem leben kannst, was du getan hast. Was du tun musstest.«
Eine lange Pause folgte. Dann schluckte sie, als wollte sie kotzen. »Du hast immer gesagt, ich hätte den Teufel im Leib.«
»Habe ich das gesagt? Nun, das haben wir alle.« Er machte eine wegwerfende Handbewegung. »Du bist keine Heilige, so viel wissen wir. Du bist das Kind einer blutigen Zeit. Aber du bist auch längst nicht so finster, wie du zu sein scheinst.«
»Nicht?«
»Ich tue so, als lägen meine Männer mir am Herzen, aber in Wahrheit gebe ich einen Scheißdreck darum, ob sie leben oder sterben. Dir war es immer wichtig, aber du hast immer so getan, als sei es dir scheißegal. Ich habe nie erlebt, dass du unnötig jemanden in den Tod geschickt hättest. Und trotzdem haben mich die Leute stets mehr geliebt. Ha. Das ist Gerechtigkeit. Du hast dich mir gegenüber immer anständig verhalten, Monza. Selbst als du mich verrietest, war das nicht mehr, als ich verdiente. Ich habe diese Sache in Muris nie vergessen, nach der Belagerung, als du verhindert hast, dass die Sklavenhändler diese Kinder bekamen. Jeder wollte das Geld kassieren. Ich. Der Getreue. Sogar Benna. Vor allem Benna. Aber du nicht.«
»Ich habe dir nur eine Schramme beigebracht«, sagte sie leise.
»Sei nicht so bescheiden, du warst bereit, mich umzubringen. Wir leben in gewissenlosen Zeiten, und in gewissenlosen Zeiten sind Erbarmen und
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