Racheklingen
erschreckten Jungs hinunter, die sie getragen hatten. Espe musste leise kichern.
Noch mehr Steine flogen. Ein Mann stürzte auf halber Höhe von der Leiter, seine Beine knickten in verschiedene Richtungen weg, und er begann zu kreischen. Inzwischen wurde aber sowieso allerorten ordentlich gebrüllt und geschrien. Einige der Verteidiger auf dem Dach eines Turms kippten einen großen Zuber voller kochendem Wasser auf die Köpfe jener, die direkt darunter eine Leiter aufstellen wollten. Sie machten nun mächtig viel Lärm, die Leiter kippte um, und sie rannten wie die Verrückten herum und hielten sich die Köpfe.
Bolzen und Pfeile zischten hinauf und hinab. Steine flogen herab, prallten auf den Boden. Männer fielen an der Mauer oder auf dem Weg dorthin. Andere krochen durch den Schlamm zurück, wurden getragen, legten die Arme um die Schultern von Kameraden, die für jede Entschuldigung dankbar waren, aus der Schusslinie herauszukommen. Söldner hackten wild um sich, nachdem sie bis zur obersten Sprosse der Leitern gekommen waren, mehr noch wurden jedoch von wartenden Speerträgern wieder hinabgestoßen und kamen wesentlich schneller nach unten, als sie zuvor hinaufgekommen waren.
Espe sah, dass jemand auf der Brüstung einen Topf über einer Leiter und den darauf herumkletternden Männern ausleerte. Ein anderer kam mit einer Fackel, zündete die Leiter an, und die ganze obere Hälfte ging in Flammen auf. Öl demnach. Espe beobachtete die brennende Leiter und die brennenden Männer, die sich darauf befanden. Nach kurzer Zeit stürzten sie hinab, rissen dabei ein paar Kameraden mit. Noch mehr Geschrei. Espe schob seine Axt durch die Schlinge über seiner Schulter. Der beste Ort für die Waffe, wenn man klettern wollte. Es sei denn natürlich, dass sie herausrutschte und einem selbst den Kopf abschlug. Der Gedanke brachte ihn erneut zum Lachen. Ein paar Männer in seiner Nähe sahen ihn finster an, weil er so viel in sich hineinlachte, aber das war ihm egal. Sein Blut pochte nun schnell. Wenn er sie sich ansah, musste er nur noch mehr lachen.
Offenbar hatten es einige der Söldner nun an der rechten Seite bis zur Brustwehr geschafft. Er sah Klingen auf den Zinnen blitzen. Noch mehr Männer drängten dahinter nach. Eine Leiter, die voller Soldaten hing, wurde mit Stangen weggestoßen. Sie blieb einen Augenblick hoch aufgerichtet stehen, als wollte sie den Stelzenrekord der Welt brechen. Die armen Säcke oben an der Spitze wedelten mit den Armen, griffen ins Nichts, dann kippte die Leiter gemächlich um und schlug mitsamt ihrer menschlichen Fracht auf die Pflastersteine.
Auch links, direkt am Torhaus, wurde die Mauer geentert. Espe sah, dass Männer sich ein paar Schritte das Dach hinaufkämpften. Fünf oder sechs der Leitern lagen wieder unten, zwei lehnten noch an der Mauer und brannten, dicke schwarze Wolken in den Himmel schickend, aber auf den meisten anderen wimmelten von oben bis unten Soldaten herum. Offenbar waren die Verteidiger nicht allzu zahlreich, und die zahlenmäßige Überlegenheit machte sich allmählich bemerkbar.
Wieder ertönte die Pfeife, und die dritte Gruppe machte sich bereit, schwerer bewaffnete Männer, die nun den ersten auf den Leitern folgten und in die Festung drängen sollten.
»Los geht’s«, sagte Monza.
»Wie du meinst, Häuptling.« Espe holte tief Luft und lief los.
Die Bogen waren inzwischen fast völlig zum Schweigen gebracht worden, nur noch wenige Bolzen flogen aus den Schießscharten oben in den Türmen. Von daher war der Weg nun leichter als für die Truppe, die zuerst vorangestürmt war, eher ein Morgenspaziergang durch die überall verstreut liegenden Leichen. Sie erreichten eine der mittleren Leitern. Ein paar Männer und ein Feldwebel standen an ihrem Fuß, die Stiefel schon auf der ersten Sprosse, die Holme fest gepackt. Der Feldwebel gab jedem seiner Leute einen kleinen Klaps, als er hinaufstieg.
»Hoch mit euch, Jungs, hoch mit euch! Schnell und standhaft! Nicht trödeln! Hoch mit euch, und bringt die Ärsche da um! Du auch, du Drecksack – Oh. Verzeihung, Euer … äh … Exzellenz?«
»Halt sie einfach fest.« Damit begann Monza hinaufzusteigen.
Espe folgte, ließ die Hände über die rauen Holme gleiten, die Stiefel schabten über das Holz, und der Atem zischte durch sein Lächeln, während seine Muskeln langsam anfingen zu schmerzen. Er hielt die Augen starr auf die Mauer vor sich gerichtet. Hatte wenig Zweck, woandershin zu gucken. Falls ein Pfeil kam?
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