Racheklingen
Edelmann.«
Monza schnaubte. »Jedenfalls nicht mehr ganz so sehr wie ein nordischer Bettler.«
»Vielleicht.« Espe sah überhaupt nicht glücklich aus. »Kann sein, dass dort ein Mann steht, der besser aussieht. Der vielleicht schlauer ist.« Er fuhr sich mit der Hand durch sein kurzes dunkles Haar und bedachte sein Spiegelbild mit einem finsteren Blick. »Bin mir aber nicht sicher, ob ich dem Drecksack über den Weg trauen würde.«
»Und zum Schluss …« Der Barbier beugte sich vor, eine gefärbte Kristallflasche in der Hand, und sprühte einen feinen Nebel aus Parfüm über Espes Kopf.
Der Nordmann sprang auf, als hätte er sich auf glühende Kohlen gesetzt. »Was, zur
Hölle
!«, brüllte er, die großen Hände zu Fäusten geballt, und versetzte dem kleinen Mann einen Schubs, dass er mit einem Kreischen durch den Raum taumelte.
Monza lachte lauthals. »Vielleicht sieht er aus wie ein styrischer Edelmann.« Sie zog noch ein paar Viertelwaag aus der Tasche und steckte sie dem entsetzt in die Runde starrenden Barbier in die Schürzentasche. »Mit den Manieren hapert es allerdings noch ein bisschen.«
Es wurde dunkel, als sie das verfallene Haus wieder erreichten, Monza mit hochgeschlagener Kapuze, Espe stolz in seinem neuen Mantel. Kalter Regen plätscherte auf den heruntergekommenen Innenhof, und in einem Fenster im ersten Stock brannte eine einzige Laterne. Sie sah mit gerunzelter Stirn zum Licht, dann zu Espe und fasste mit der Linken vorsichtig nach dem Griff des Messers, das hinten in ihrem Gürtel steckte. Besser, man war auf alles vorbereitet. Sie schlichen die knarrende Treppe empor und stellten fest, dass dort eine Tür nur angelehnt worden war und Licht aus dem Spalt über die Dielenbretter fiel. Monza stieß sie mit der Stiefelspitze auf.
Zwei brennende Scheite flackerten im rußgeschwärzten Kamin, erwärmten den Raum aber kaum. Freundlich stand neben dem Fenster an der Wand gegenüber und blickte durch die Schlitze der Läden hinüber zur Bank. Morveer hatte einige Blatt Papier auf einem wackligen Tisch ausgebreitet und notierte sich etwas mit tintenbefleckter Hand. Day saß mit überschlagenen Beinen auf der Tischplatte und pellte mit einem Dolch eine Orange. »Eine eindeutige Verbesserung«, erklärte sie nach einem kurzen Blick auf Espe.
»Oh, dem kann ich mich nur anschließen.« Morveer grinste. »Ein dreckiger, langhaariger Idiot verließ heute Morgen das Haus. Ein sauberer, kurzhaariger Idiot ist zurückgekehrt. Das muss ja wohl
Zauberei
sein.«
Monza ließ den Griff des Messers los, während Espe verärgert etwas auf Nordisch vor sich hinbrummte. »Da Sie noch nicht lauthals Ihr eigenes Loblied singen, gehe ich davon aus, dass die Aufgabe noch nicht erfüllt ist.«
»Mauthis ist ein
äußerst
vorsichtiger und gut geschützter Mann. Die Bank ist tagsüber viel zu schwer bewacht.«
»Dann muss es auf seinem Weg zur Bank geschehen.«
»Er fährt mit einem gepanzerten Wagen vor und wird von einem Dutzend Wächter begleitet. Wenn wir versuchten, ihn abzufangen, wäre das zu gefährlich.«
Espe warf einen weiteren Holzscheit ins Feuer und streckte die Hände den Flammen entgegen. »Und bei ihm zu Hause?«
»Pah«, stieß Morveer hervor. »Wir sind ihm dorthin gefolgt. Er lebt auf einer von einer Mauer geschützten Insel in der Bucht, auf der einige Ratsherren der Stadt ihre Anwesen haben. Gewöhnliche Leute werden gar nicht erst hinübergelassen. Wir haben keine Möglichkeit, uns Zutritt zu seinem Haus zu verschaffen, selbst wenn wir wüssten, welches ihm gehört. Wie viele Wächter, Dienstboten, Familienmitglieder wären dort bei ihm? All das wissen wir nicht. Ich weigere mich
geradeheraus
, eine derart schwierige Aufgabe anzugehen, wenn wir uns allein auf Vermutungen verlassen müssen. Was tue ich niemals, Day?«
»Sie überlassen nie etwas dem Zufall.«
»Genau. Ich verkaufe
Gewissheit
, Murcatto. Deswegen sind Sie ja zu mir gekommen. Man engagiert mich, damit ein
gewisser
Mann mit
Gewissheit
stirbt, und nicht, damit es ein wildes Schlachtfest gibt, in dessen Durcheinander die Zielperson entkommen kann. Wir sind hier ja nicht in Caprile, wo …«
»Ich weiß, wo wir sind, Morveer. Wie lautet also Ihr Plan?«
»Ich habe die nötigen Informationen zusammengetragen und ein sicheres Mittel ersonnen, um den gewünschten Effekt zu erzielen. Ich muss lediglich während der dunklen Stunden Zugang zur Bank erlangen.«
»Und wie wollen Sie das erreichen?«
»Wie will ich das
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