Racheklingen
hörte den Stolz, der in seiner Stimme mitschwang.
»Schön für dich. Also hast du andere angeführt?«
»Es gab einige, die auf mich hörten. Mein Vater war ein berühmter Mann, mein Bruder auch. Ein bisschen davon hat wohl auf mich abgefärbt.«
»Wieso hast du das alles weggeworfen? Wieso bist du dann hierhergekommen, um ein Nichts zu sein?«
Er sah sie im Spiegel an, während die Schere um sein Gesicht klapperte. »Morveer hat gesagt, dass du selbst eine Soldatin warst. Eine sehr berühmte.«
»So berühmt nun auch wieder nicht.« Es war nur eine halbe Lüge. Berüchtigt wäre zutreffender gewesen.
»Da, wo ich herkomme, ist das eine seltsame Beschäftigung für eine Frau.«
Sie zuckte die Achseln. »Ist leichter als Feldarbeit.«
»Also weißt du etwas vom Krieg, ja?«
»Ja.«
»Würde sagen, du hast ein paar Schlachten mitgemacht. Hast gesehen, wie Menschen getötet wurden.«
»Ja.«
»Dann hast du auch gesehen, was damit einhergeht. Die Märsche, das Warten, die Scheußlichkeiten. Leute, die nichts getan haben, werden vergewaltigt, beraubt, verkrüppelt, gebrandschatzt.«
Monza dachte daran, wie ihr eigenes Feld vor all den Jahren in Flammen aufgegangen war. »Da hast du Recht, das kann man so sagen.«
»Blut führt immer nur zu noch mehr Blut. Wenn man eine Rechnung begleicht, macht man damit eine neue auf. Der Krieg hinterlässt bei jedem Mann, der nicht halbwegs verrückt ist, einen verdammt üblen Geschmack im Mund, und es wird immer schlimmer mit der Zeit.« Sie widersprach ihm nicht. »Also weißt du, wieso ich lieber davon frei sein will.
Will was wachsen lassen. Etwas, worauf ich stolz sein kann, nicht immer nur Dinge zerstören. Ein … ein guter Mensch sein, denke ich.«
Schnipp, schnapp. Haarbüschel fielen zu Boden und sammelten sich dort. »Ein guter Mensch, ja?«
»Genau.«
»Also hast du selbst auch schon Tote gesehen?«
»Mehr als genug.«
»Viele auf einem Haufen?«, fragte sie. »Aufeinandergetürmt, wenn die Pest sich ausbreitete, oder überall verstreut nach einer Schlacht? Ja, das habe ich gesehen.«
»Hast du feststellen können, ob einige dieser Leichen einen Schimmer um sich hatten? Einen süßen Geruch, so wie Rosen an einem Frühlingsmorgen?«
Espe runzelte die Stirn.
»Nein.«
»Die guten und die bösen Menschen – sie sahen alle gleich aus, oder nicht? Jedenfalls taten sie das für mich, das kann ich dir sagen.« Nun war es an ihm zu schweigen. »Wenn du ein guter Mensch bist und du an jedem Tag deines Lebens versuchst, darüber nachzudenken, was gut und richtig ist, und wenn du Dinge aufbaust, damit irgendwelche Arschlöcher kommen und in einem Augenblick alles niederbrennen können, und wenn du ganz nett jedes Mal Danke sagst, wenn sie die Scheiße aus dir rausprügeln, glaubst du, dass du dich dann, wenn du stirbst und sie dich in der Erde verscharren, in Gold verwandelst?«
»Was?«
»Oder wirst du genauso wie wir anderen verrotten?«
Er nickte langsam. »Man verrottet, klar. Aber vielleicht kann man etwas Gutes zurücklassen.«
Sie antwortete ihm mit bellendem Gelächter. »Was lassen wir schon zurück, abgesehen von ungetanen Taten, ungesagten Worten, unvollendeten Dingen? Leere Kleider, leere Zimmer, eine große Leere in den Menschen, die uns kannten? Fehler, die nie berichtigt, und Hoffnungen, die zu Staub wurden?«
»Vielleicht werden Hoffnungen weitergegeben und gute Worte gesagt. Glückliche Erinnerungen, denke ich.«
»Und das Lächeln all der toten Männer, das du in deinem Herzen bewahrt hast, hat es dich warm gehalten, als ich dich fand? Wie hat es geschmeckt, als du Hunger hattest? Haben sie überhaupt gelächelt, als du verzweifelt warst?«
Espe blies die Backen auf. »Zur Hölle, du bist aber auch echt ein Sonnenschein. Vielleicht haben sie mir wirklich etwas Gutes getan.«
»Mehr als eine Handvoll Silber hätte erreichen können?«
Er sah sie kurz an und dann wieder weg. »Vielleicht nicht. Aber ich denke, ich werde trotzdem an meiner Denkweise festhalten.«
»Ha. Viel Glück, du guter Mensch.« Sie schüttelte den Kopf, als hätte sie noch nie etwas so Blödes gehört.
Gebt mir nur böse Menschen zu Freunden,
hieß es bei Verturio.
Sie kann ich verstehen.
Ein letztes schnelles Schnipp der Schere, und der Barbier trat zurück und tupfte sich mit dem Ärmel den Schweiß von der Stirn. »Und damit wären wir fertig.«
Espe starrte in den Spiegel. »Ich sehe aus wie ein anderer Mensch.«
»Der Herr sehen aus wie ein styrischer
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