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Racheklingen

Racheklingen

Titel: Racheklingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Abercrombie
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erreichen, Day?«
    »Durch die rigorose Anwendung von Beobachtung, Logik und Methodik.«
    Morveer lächelte sein selbstzufriedenes kleines Lächeln. »Ganz genau.«
    Monza tauschte einen schnellen Seitenblick mit Benna. Nur war Benna tot, und dort, wo er gestanden hätte, stand nun Espe. Der Nordmann hob die Augenbrauen, stieß einen langen Seufzer aus und sah wieder ins Feuer.
Gebt mir nur böse Menschen zu Freunden,
hieß es bei Verturio. Aber auch das musste eine Grenze haben.

ZWEI ZWEIEN
    Die Würfel zeigten zwei Zweien. Zwei mal zwei ist vier. Zwei und zwei ist vier. Ob man das Ergebnis zusammenzählt oder malnimmt, stets hat man dasselbe Ergebnis. Dieser Gedanke machte Freundlich ein wenig hilflos. Hilflos, aber ruhig. Da waren all diese Leute, die versuchten, etwas zu erledigen, aber egal, was sie auch taten, das Ergebnis blieb dasselbe. Die Würfel waren voller Lehren. Wenn man wusste, wie man sie zu lesen hatte.
    Die Gruppe hatte sich in zwei Paare aufgeteilt. Zweimal zwei. Morveer und Day, Meister und Gehilfin. Sie hatten sich zusammengeschlossen, blieben zusammen, lachten zusammen über alle anderen. Aber nun sah Freundlich, dass auch Murcatto und Espe ein eigenes Paar bildeten. Sie lehnten nebeneinander an der Balkonbrüstung, schwarze Schemen vor dem düsteren Nachthimmel, und starrten zur Bank hinüber, die einen immensen Block noch dichterer Düsternis darstellte. Er hatte schon oft erlebt, dass es in der Natur der Menschen lag, Paare zu bilden. Alle außer ihm. Er blieb allein, in den Schatten. Vielleicht war irgendetwas mit ihm nicht in Ordnung, so wie die Richter damals gesagt hatten.
    Sajaam hatte beschlossen, mit ihm ein Paar zu bilden, damals in der Sicherheit, aber Freundlich hatte sich nichts vorgemacht. Sajaam hatte ihn gewählt, weil er nützlich war. Weil man ihn fürchtete. So sehr, wie man jemanden in der Dunkelheit eben fürchten konnte. Aber Sajaam hatte auch nichts anderes vorgetäuscht. Er war der einzige ehrliche Mann, den Freundlich kannte, und daher war es eine ehrliche Abmachung gewesen. Es hatte so gut funktioniert, dass Sajaam im Gefängnis genug Geld verdient hatte, um sich bei den Richtern freizukaufen. Aber er war ein ehrlicher Mann, und daher hatte er Freundlich nach seiner Entlassung nicht vergessen. Er war zurückgekommen und hatte auch seine Freiheit erkauft.
    Draußen, außerhalb der Mauern, wo es keine Regeln gab, war es wieder anders. Sajaam hatte andere Geschäfte, und Freundlich blieb wieder allein. Das störte ihn allerdings nicht. Er war daran gewöhnt, und ihm leisteten die Würfel Gesellschaft. Und so fand er sich nun hier wieder, in der Dunkelheit, auf einem Dach in Westport, mitten im Winter. Mit diesen schlecht zusammenpassenden zwei Paaren unehrlicher Menschen.
    Die Wächter marschierten in zwei Zweiergrüppchen, vier zurzeit, und zwei Vierergruppen, die endlose Patrouillengänge um die Bank machten. Es regnete inzwischen, halbgefrorener Schneeregen prasselte hinab. Trotzdem gingen sie unten immer weiter, umrundeten das Gebäude in der Dunkelheit, ein ums andere Mal. Gerade schritt ein Grüppchen durch die Straße unter ihnen, gut bewaffnet, die Hellebarden geschultert.
    »Hier kommen sie wieder«, sagte Espe.
    »Das sehe ich«, zischte Morveer verächtlich. »Fang an zu zählen.«
    Days Flüstern drang durch die Nacht, hell und kehlig. »Eins … zwei … drei … vier … fünf …« Freundlich starrte mit offenem Mund ihre Lippen an, wie sie sich bewegten, die Würfel vergessen in der schlaffen Hand. Sein eigener Mund bewegte sich tonlos im Einklang mit dem ihren. »Zweiundzwanzig … dreiundzwanzig … vierundzwanzig …«
    »Wie kommen wir aufs Dach?«, grübelte Morveer. »Wie kommen wir aufs Dach?«
    »Seil und Wurfanker?«, schlug Murcatto vor.
    »Zu langsam, zu laut, zu ungewiss. Das Seil wäre die ganze Zeit über deutlich zu sehen, selbst wenn wir den Wurfanker sofort fest verkanten könnten. Nein. Wir benötigen eine Methode, die nichts dem Zufall überlässt.«
    Freundlich wünschte sich, sie würden endlich die Klappe halten, damit er Days Zählen besser hören konnte. Sein Schwanz war knallhart von ihrer kleinen Litanei. »Einhundertzwölf … einhundertdreizehn …« Er schloss die Augen, ließ den Kopf gegen die Mauer sinken und bewegte einen Finger im Rhythmus hin und her. »Einhundertzweiundachtzig … einhundertdreiundachtzig …«
    »Niemand könnte ohne Sicherung bis dort oben hinaufklettern«, ertönte wieder Murcattos Stimme.

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