Racheklingen
nach seiner Kehle. Nach ein paar taumelnden Schritten färbte sich sein Gesicht violett, und er brach zusammen. Ein Schuh segelte von seinem wild zuckenden Fuß. Einer der Angestellten neben Mauthis war auf die Knie gesunken und rang nach Luft. Eine Frau stieß einen durchdringenden Schrei aus.
»Bei den Toten«, war Espe zu hören.
Rosa Schaum quoll aus dem weit geöffneten Mund des Bankiers. Er schlug nicht mehr um sich, sondern zuckte nur noch leicht. Dann bewegte er sich gar nicht mehr. Sein Körper wurde schlaff, und leere Augen starrten an Monza vorbei zu den grinsenden Büsten, die rund um die Halle aufgestellt worden waren.
Zwei tot. Blieben noch fünf.
»Eine Seuche!«, schrie jemand, und als hätte ein General auf dem Schlachtfeld den Angriff befohlen, brach plötzlich großes Durcheinander aus. Monza wurde beinahe umgestoßen, als einer der Kaufleute, die mit Mauthis gesprochen hatten, plötzlich fortlaufen wollte. Espe gab ihm einen Schubs, so dass er auf dem toten Bankier landete. Ein Mann mit verbogenen Augengläsern klammerte sich an sie, und die Brille vergrößerte die hervorquellenden Augen in seinem rosafarbenen Gesicht auf groteske Weise. Instinktiv schlug sie mit ihrer rechten Hand zu, keuchte, als die verkrüppelten Knöchel gegen seine Wange prallten und Schmerz ihre Schulter hinaufschoss, dann versetzte sie ihm einen zweiten Hieb mit der Rückseite ihrer Linken und warf ihn zu Boden.
Keine Seuche breitet sich so schnell aus wie die Angst, hieß es bei Stolicus, und nichts ist tödlicher.
Der Hauch der Zivilisation war plötzlich wie weggeblasen. Die Reichen und Selbstzufriedenen verwandelten sich in Tiere. Jene, die ihnen im Weg standen, wurden beiseitegestoßen. Jene, die stürzten, fanden kein Erbarmen. Sie sah einen dicken Kaufmann, der eine gut gekleidete Dame ins Gesicht schlug, und sie brach zusammen, wurde gegen eine Wand gedrückt, und die verrutschte Perücke hing ihr quer im Gesicht. Sie sah einen alten Mann auf dem Boden liegen, und die Menge trampelte achtlos über ihn hinweg. Eine Geldschatulle krachte auf den Boden, und Silbermünzen verteilten sich überall, wurden nicht einmal angesehen, sondern von den eilenden Schuhen durch die Gegend getreten. Es war, als hätte Irrsinn von einer Rotte Besitz ergriffen. Man schrie, rang miteinander und fluchte, und der Gestank der Angst zog über die verstreut liegenden Körper und zertretenen Gegenstände.
Jemand schubste sie, und sie schlug mit dem Ellenbogen zu, fühlte etwas krachen, und Blutstropfen spritzten auf ihre Wange. Das Gedränge erfasste sie wie der Strom einen Ast, und man stieß sie, drehte sie, hielt sie fest. Fauchend wurde sie durch die Tür und bis auf die Straße hinausgetragen, wobei ihre Füße kaum den Boden berührten, und Menschen drückten sich gegen sie, schlugen nach ihr, wanden sich gegen sie. Sie wurde seitlich weggeschwemmt, rutschte von den Stufen der Treppe, verstauchte sich das Bein auf dem Pflaster und stieß gegen die Mauer des Gebäudes.
Sie spürte, dass Espe sie am Ellenbogen ergriff und sie halb führte, halb trug. Einige der Wachmänner der Bank standen da und versuchten ohne allzu viel Erfolg, den Strom der panischen Menschen mit den Stangen ihrer Hellebarden zu steuern. Plötzlich ging ein Ruck durch die Menge, und Monza wurde zurückgetragen. Zwischen fuchtelnden Armen sah sie einen Mann zitternd auf dem Boden liegen, der roten Schaum auf das Pflaster hustete. Eine Mauer entsetzter, faszinierter Gesichter zuckte und ruckte auf und nieder, als die Leute versuchten, von ihm wegzukommen.
Monza war schwindlig, und sie spürte einen bitteren Geschmack im Mund. Espe schritt neben ihr dahin, atmete schnell durch die Nase und blickte über die Schulter zurück. Sie bogen um eine Ecke und hielten auf das verfallene Haus zu. Allmählich verebbte der Lärm hinter ihnen. Sie sah Morveer, der vor einem der hohen Fenster stand wie ein reicher Patron, der aus seiner Privatloge ein besonders interessantes Theaterstück verfolgt. Er grinste zu ihnen hinunter und winkte ihnen zu.
Espe brummte etwas in seiner eigenen Sprache, als er die schwere Tür aufstieß, und Monza folgte ihm. Sie packte den Calvez und eilte zur Treppe, nahm zwei Stufen auf einmal und bemerkte kaum, wie ihre Knie dabei brannten.
Morveer stand immer noch am Fenster, als sie eintrat. Seine Gehilfin hockte im Schneidersitz auf dem Tisch und kaute an einem halben Kanten Brot. »Auf der Straße scheint ein
ziemliches
Durcheinander zu
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