Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Racheklingen

Racheklingen

Titel: Racheklingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Abercrombie
Vom Netzwerk:
immer eine präzise Wissenschaft, aber nach meiner Berechnung wäre der beste Augenblick in etwa einer Stunde. Ich rate Ihnen allerdings entschieden dazu, in der Bank nichts zu berühren.« Damit wandte er sich ab und hob warnend einen Finger über seine Schulter. »Und achten Sie darauf, dass man Sie nicht erkennt. Unsere gemeinsame Arbeit beginnt ja gerade erst.«
     
    In der Schalterhalle herrschte geschäftiges Treiben. Dutzende von Schreibern arbeiteten an ihren schweren Schreibtischen, saßen über große Folianten gebeugt, und ihre Federn kratzten, tippten an die Tintenfässer, kratzten weiter. Wächter standen gelangweilt an den Wänden, sahen halbherzig zu oder guckten nirgendwohin. Monza mischte sich unter die hübsch zurechtgemachten Gruppen reicher Männer und Frauen, glitt zwischen den Reihen pomadierter und juwelenbehängter Menschen hin und her, und Espe gab sich alle Mühe, ihr zu folgen. Kaufleute und Ladenbesitzer und Frauen reicher Männer, Leibwächter und Lakaien mit Geldschatullen und Geldsäcken. Soweit man sehen konnte, war es ein ganz gewöhnlicher Tag, der dem Bankhaus Valint und Balk wieder einmal überragende Profite brachte.
    Dies war der Ort, von dem Herzog Orso sein Geld bekommen hatte.
    Plötzlich erhaschte Monza einen Blick auf einen hageren Mann mit Hakennase, der mit einigen pelzverbrämten Handelsfürsten sprach, flankiert von zwei Schreibern, die Hauptbücher unter dem Arm trugen. Das Geiergesicht fiel in der Menge auf wie ein Funken im dunklen Keller und zündete auch in ihr ein Feuer an. Mauthis. Der Mann, den zu töten sie nach Westport gekommen war. Und es musste nicht ausdrücklich gesagt werden, dass er ziemlich lebendig wirkte.
    In einem Winkel der Halle stieß jemand einen Ruf aus, aber Monzas Augen waren starr geradeaus gerichtet, und ihr Kiefer war plötzlich fest zusammengepresst, als sie versuchte, sich einen Weg durch die Menschen zu bahnen und auf Orsos Bankier zuzugehen.
    »Was machst du da?«, zischte Espe ihr ins Ohr, aber sie schüttelte ihn ab und schubste einen Mann mit hohem Hut aus dem Weg.
    »Er braucht ein wenig frische Luft!«, rief jemand. Die Leute sahen sich um, raunten, reckten die Hälse, um etwas zu sehen, und die ordentlichen Schlangen lösten sich allmählich auf. Monza ging weiter, kam näher und näher. Näher, als vernünftig war. Sie hatte keine Ahnung, was sie tun würde, wenn sie Mauthis erreichte. Ihn beißen? Hallo sagen? Jetzt war sie nicht einmal mehr zehn Schritt von ihm entfernt – so nah, wie sie ihm damals gewesen war, als er auf ihren sterbenden Bruder hinabgeblickt hatte.
    Dann zuckte der Bankier plötzlich zusammen. Monza verlangsamte ihre Schritte und drängte vorsichtig weiter voran. Sie sah, wie Mauthis sich zusammenkrümmte, als ob ihn eine Faust in den Magen getroffen hatte. Er hustete einmal und dann noch einmal, und es war ein harter, würgender Husten. Mit einem taumelnden Schritt schaffte er es bis zur nächsten Wand und stützte sich ab. In der Halle kam nun Bewegung in die Menschen, und von überall erklang neugieriges Flüstern und gelegentlich ein Ausruf.
    »Zurücktreten!«
    »Was ist das?«
    »Drehen Sie ihn um!«
    Mauthis’ Augen glänzten feucht, und die Adern traten auf seinem dünnen Hals vor. Er krallte sich an einem der Schreiber neben ihm fest, als seine Knie nachgaben. Der Mann stolperte und ließ seinen Meister dann vorsichtig zu Boden sinken.
    »Herr Mauthis? Herr Mauthis?«
    Die ganze Halle schien von atemloser Faszination gepackt, die jeden Augenblick in nackte Angst umschlagen konnte. Monza drängte sich näher heran und sah über eine samtbekleidete Schulter. Mauthis’ herumirrende Augen trafen die ihren, und sie starrten sich direkt an. Sein Gesicht war verzerrt, die Haut rötete sich, einzelne Muskelpartien hatten sich bereits verhärtet. Ein zitternder Arm hob sich und deutete auf sie, den knochigen Zeigefinger ausgestreckt.
    »Muh«, flüsterte er, »Muh … Muh …«
    Er verdrehte die Augen und begann zu zucken, schlug mit den Beinen, bäumte sich auf, zappelte auf den Marmorfliesen wie ein Fisch auf dem Trockenen. Die Männer in seiner Nähe starrten ihn entsetzt an. Einer von ihnen klappte ebenfalls mit einem Hustenanfall zusammen. Überall in der Schalterhalle wurden nun Rufe laut.
    »Hilfe!«
    »Hierher!«
    »So helfe doch jemand!«
    »Frische Luft, habe ich gesagt!«
    Ein Schreiber erhob sich ruckartig von seinem Schreibtisch, der Stuhl krachte nach hinten, und er fasste mit den Händen

Weitere Kostenlose Bücher