Racheklingen
Silberstück, das noch auf seiner Brust lag.
»Fünf Waag. Ein mehr als guter Preis für letzte Nacht.«
»Hä?« Er rieb sich den Schlaf aus den Augen. »Du bezahlst mich?« Die Münzen rutschten von seiner Haut auf die Decke. »Ich fühle mich ein bisschen wie eine Hure.«
»Bist du denn keine?«
»Nein. Ich habe noch Stolz in mir.«
»Also würdest du einen Mann für Geld töten, aber nicht für Geld eine Möse lecken?« Sie schnaubte. »Das ist ja mal eine lustige Moral. Soll ich dir was sagen? Nimm die fünf Waag und halte dich in Zukunft ans Töten. Dazu hast du Talent.«
Espe drehte sich um und zog sich die Decke bis zum Kinn. »Mach die Tür zu, wenn du rausgehst, ja? Hier drin ist es scheißkalt.«
Die Klinge des Calvez zischte hart durch die Luft. Schläge nach links und rechts, oben und unten. Sie drehte sich in einer Ecke des Innenhofs, ihre Stiefel huschten über die gebrochenen Bodenplatten, als sie mit dem linken Arm einen Ausfall machte und die helle Spitze auf Brusthöhe vibrieren ließ. Ihr schneller Atem verwandelte sich in kleine weiße Wölkchen, und trotz der kalten Luft klebte ihr das Hemd verschwitzt am Körper.
Ihre Beine erholten sich jeden Tag ein wenig mehr. Sie brannten immer noch, wenn sie sich schnell bewegte, waren morgens steif wie alte Zweige und taten abends höllisch weh, aber zumindest konnte sie wieder einigermaßen gehen, ohne dauernd vor Schmerz das Gesicht zu verziehen. Ihre Kniegelenke gewannen allmählich sogar wieder etwas Sprungkraft, auch wenn sie immer noch knirschten. Ihre Schulter und ihr Kiefer wurden wieder lockerer. Die Münzen unter der Kopfhaut taten kaum weh, wenn sie darauf drückte.
Ihre rechte Hand war allerdings so verkrüppelt wie zuvor. Sie klemmte sich Bennas Degen unter den Arm und zog den Handschuh ab. Selbst das tat weh. Die verdrehten Glieder zitterten, schwach und bleich, und die Narbe, die Gobbas Draht hinterlassen hatte, glänzte an der Seite violett. Sie zuckte zusammen, als sie die verdorrten Finger zwang, sich zu schließen, wobei der kleinste immer noch starr abstand. Der Gedanke, dass sie den Rest ihres Lebens mit dieser ekelhaften Behinderung gezeichnet sein würde, ließ plötzliche Wut in ihr aufwallen.
»Arschloch«, zischte sie durch die zusammengebissenen Zähne und zog sich den Handschuh wieder über. Sie erinnerte sich daran, wie ihr Vater ihr zum ersten Mal einen Degen in die Hand gedrückt hatte, als sie gerade mal acht Jahre alt gewesen war. Sie wusste noch sehr gut, wie schwer er sich angefühlt hatte, wie seltsam und ungelenk in ihrer rechten Hand. Mit ihrer linken ging es ihr jetzt beinahe genauso. Aber es blieb ihr nichts anderes übrig, als zu lernen.
Bei null anzufangen, wenn es nicht anders ging.
Sie stellte sich vor einen morschen Fensterladen, die Klinge gerade ausgestreckt, das Handgelenk dem Boden zugewandt. Sie führte drei Schläge aus, und die Spitze schlug drei kleine Latten aus dem Rahmen, eine über der anderen. Fauchend verdrehte sie das Handgelenk und schlug nach unten, sodass der Laden in zwei Teile gespalten wurde und die Splitter flogen.
Besser. Jeden Tag ein bisschen besser.
»
Hervorragend
.« Morveer stand im Tor, seine Wange zierten einige frische Kratzer. »Es gibt sicher keinen Fensterladen in ganz Styrien, der es wagen würde, sich uns entgegenzustellen.« Er schlenderte durch den Hof, die Hände auf dem Rücken. »Ich würde sagen, Sie waren sogar noch besser, als Ihre rechte Hand noch heil war.«
»Das lassen Sie mal meine Sorge sein.«
»Sogar sehr viel besser, würde ich sagen. Haben Sie sich von Ihren …
Übungen
mit unserem nordischen Bekannten letzte Nacht wieder erholt?«
»Mein Bett ist meine Sache. Und Sie? Haben Sie sich vom kleinen Sturz durch mein Fenster erholt?«
»Ich habe nur den ein oder anderen kleinen Kratzer abbekommen.«
»Wie schade.« Sie schob den Calvez mit einem Ruck wieder in seine Scheide. »Ist es erledigt?«
»Das wird es sein.«
»Ist er tot?«
»Das wird er sein.«
»Wann?«
Morveer lächelte zu dem Viereck blassen Himmels über ihnen hinauf. »Geduld ist die allererste Tugend, Generalin Murcatto. Die Bank hat gerade erst ihre Tore geöffnet, und das Gift, das ich verwendet habe, braucht einige Zeit, bis es wirkt. Gut erledigte Aufgaben sind selten schnell erledigte Aufgaben.«
»Aber es wird funktionieren?«
»Oh, absolut. Es wird ein …
Meisterstreich
.«
»Ich will es sehen.«
»Natürlich. Selbst in meinen Händen ist der Tod nicht
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