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Racheklingen

Racheklingen

Titel: Racheklingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Abercrombie
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Sache.«
    »Nein!« Sie schluckte. »Nein. Ich brauche deine Hilfe noch.«
    »Einem Mann gegenübertreten, das ist eine Sache … aber das hier …«
    »Bei den anderen wird es nicht so ablaufen. Dafür werde ich sorgen.«
    »Schöne, saubere Morde? Das glaube ich nicht. Du hast dich entschlossen zu töten, und es ist dann immer schwer, die Zahl der Toten zu begrenzen.« Espe schüttelte langsam den Kopf. »Solche Leute wie Morveer mögen ja vielleicht in der Lage sein, sich einfach abzuwenden und alles mit einem Lächeln abzutun, aber ich kann das nicht.«
    »Und dann?« Sie ging langsam auf ihn zu, so wie man sich vielleicht einem unruhigen Pferd nähert, das man durch einen Blick daran hindern will, wild auszuschlagen. »Zurück in den Norden, mit fünfzig Waag Reisegeld? Willst du dir die Haare wieder lang wachsen lassen und zurück zu den schlechten Hemden und dem Blut auf dem Schnee? Ich dachte, du hättest Stolz. Ich dachte, du wolltest besser sein als das.«
    »Das stimmt. Ich wollte besser sein.«
    »Das kannst du auch. Bleib. Wer weiß? Vielleicht kannst du so auch einige Leben retten.« Sie ließ ihre Hand sanft auf seiner Brust ruhen. »Führe mich auf den richtigen Weg. Dann kannst du gleichzeitig gut und reich sein.«
    »Ich zweifle allmählich daran, dass das überhaupt gleichzeitig möglich ist.«
    »Hilf mir. Ich muss das tun … für meinen Bruder.«
    »Bist du sicher? Den Toten kann man nicht mehr helfen. Die Rache ist nur für dich.«
    »Dann für mich!« Sie zwang sich, ihrer Stimme wieder einen sanften Klang zu verleihen. »Kann ich denn gar nichts tun, um deinen Entschluss zu ändern?«
    Sein Mund verzog sich. »Vielleicht willst du mir ja noch mal fünf Waag zuwerfen?«
    »Das hätte ich nicht tun sollen.« Sie streckte die Hand empor, strich über die Umrisse seines Kinns, versuchte die richtigen Worte zu finden, das richtige Angebot zu machen. »Das hattest du nicht verdient. Ich habe meinen Bruder verloren, und er war alles, was ich hatte. Ich will nicht noch jemanden verlieren …« Sie ließ den letzten Satz in der Luft hängen.
    Jetzt trat ein seltsamer Blick in Espes Augen. Teils zornig, teils hungrig, teils beschämt. Schweigend stand er lange da, und sie fühlte, wie sich die Muskeln seiner Wange zusammenzogen und wieder lockerten.
    »Zehntausend«, sagte er.
    »Sechs.«
    »Acht.«
    »Abgemacht.« Sie ließ die Hand wieder sinken, und sie starrten einander an. »Pack deine Sachen, wir verschwinden.«
    »In Ordnung.« Schuldbewusst und ohne sie anzusehen schlurfte er aus dem Zimmer und ließ sie zurück, allein.
    Und das war das Problem mit den guten Männern. Sie waren so verdammt teuer.

III

SIPANI
     
    »Der Glaube an eine übernatürliche
Quelle des Bösen ist unnötig;
der Mensch allein ist bereits zu jeder erdenklichen Gemeinheit fähig.«
 
JOSEPH CONRAD
     
    Keine zwei Wochen später kamen Männer über die Grenze, um die Rechnung zu begleichen. Sie hängten den alten Destort und seine Frau und steckten die Mühle in Brand. Eine Woche später brachen seine Söhne auf, um Rache zu nehmen, und Monza nahm den Degen ihres Vaters und zog mit ihnen, während Benna schniefend hinter ihr hertrottete. Sie war froh, dass sie gehen konnte. Sie hatte das Interesse an der Feldarbeit verloren.
    Sie verließen das Tal, um Vergeltung zu üben, und das taten sie die nächsten zwei Jahre lang. Andere gesellten sich zu ihnen, Männer, die ihre Arbeit, ihre Höfe, ihre Familien verloren hatten. Es dauerte nicht lange, und sie waren diejenigen, die Ernten anzündeten, in Bauernhäuser einbrachen und alles mitnahmen, was sie fanden. Es dauerte nicht lange, und sie hängten Leute auf. Benna wurde schnell erwachsen und entwickelte eine gnadenlose Härte. Welche andere Wahl blieb ihm? Sie rächten Morde, dann Diebstähle, dann Verleumdungen und dann das bloße Gerücht übler Nachrede. Es herrschte Krieg, und von daher gab es ständig irgendwelche Missetaten, die man rächen konnte.
    Zum Ende des Sommers schlossen Talins und Musselia Frieden, ohne dass auf irgendeiner Seite etwas anderes gewonnen worden war als Tote. Ein Mann mit goldbesetztem Mantel ritt mit seinen Soldaten durch das Tal und stellte jegliche Vergeltungsmaßnahmen unter Strafe. Destorts Söhne und die anderen trennten sich, nahmen ihre Beute mit und machten mit dem weiter, was sie getan hatten, bevor dieser Irrsinn begann, oder sie fanden neuen Irrsinn, an dem sich teilzunehmen lohnte. Inzwischen hatte Monza wieder Lust auf die

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