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Racheklingen

Racheklingen

Titel: Racheklingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Abercrombie
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hatte. »Nur noch eine. Gott!« Nie hatte er auch nur für einen Augenblick an Gott geglaubt. »Ihr Schicksalsgöttinnen!« Auch an die hatte er selten einen Gedanken verschwendet. »Oder wer auch immer!« Er hatte nie an etwas anderes geglaubt als an den nächsten Schluck. »Nur noch … eine … Chance.«
    »Na gut. Noch eine.«
    Cosca blinzelte. »Gott? Bist … bist du das?«
    Jemand gluckste leise. Es war eine Frauenstimme, scharf und spöttisch, und das Kichern klang recht wenig göttlich. »Du darfst gern niederknien, wenn du möchtest, Cosca.«
    Er schielte in den vorbeigleitenden Nebel, und sein sauer eingelegtes Hirn regte sich, bis so etwas wie Denktätigkeit einsetzte. Wenn jemand seinen Namen kannte, bedeutete das höchstwahrscheinlich nichts Gutes. Seine Feinde waren weitaus zahlreicher als seine Freunde, und die Zahl seiner Schuldner überstieg sie beide. Betrunken tastete er nach dem Griff seines vergoldeten Säbels und erinnerte sich dann daran, dass er die Waffe vor einigen Monaten in Ospria versetzt und sich stattdessen eine billige Klinge gekauft hatte. Betrunken tastete er also nach diesem Griff, aber dann erinnerte er sich, dass er die billige versetzt hatte, kurz nachdem er in Sipani angekommen war. Also ließ er seine zitternde Hand wieder sinken. Es war nicht viel verloren. Vermutlich hätte er ohnehin nicht die Kraft gehabt, den Säbel zu ziehen, wenn er einen besessen hätte.
    »Wer ist da, verdammt noch mal? Wenn ich dir Geld schulde, dann bereite dich darauf vor …« Sein Magen grummelte, und er stieß einen langen, sauren Rülpser aus. »Bereite dich darauf vor, zu sterben.«
    Aus dem Dunkel neben ihm löste sich plötzlich eine Gestalt, und er fuhr herum, fiel dabei über die eigenen Füße und stürzte. Ein blendender Blitz schoss durch sein Gesichtsfeld, als sein Kopf gegen die Mauer krachte.
    »Also bist du immer noch am Leben. Du bist doch noch am Leben, oder?« Eine hochgewachsene, hagere Frau. Ihr Gesicht lag größtenteils im Schatten, das stachlige Haar schimmerte leicht orangefarben. Sein Kopf begann diesen Anblick zäh und langsam einzuordnen.
    »Schylo Vitari, wer hätte das gedacht.« Vielleicht keine Feindin, aber auch ganz sicher keine Freundin. Er stützte sich auf einen Ellenbogen, und als sich die Straße zu drehen begann, beschloss er, dass das einstweilen an Bewegung genügen musste. »Ich könnte dich wohl nicht dazu überreden … einem Mann einen Schluck zu bezahlen, was?«
    »Ziegenmilch?«
    »Was?«
    »Ich habe gehört, die soll gut für die Verdauung sein.«
    »Es hieß ja schon immer, dein Herz sei so hart wie ein Feuerstein, aber nicht einmal von dir hätte ich erwartet, dass du mir vorschlagen würdest,
Milch
zu trinken, verdammt! Nur noch ein kleines Gläschen Traubenschnaps.« Ein Schnaps, ein Schnaps, ein Schnaps. »Nur noch einen, und dann habe ich genug.«
    »Oh, du hast schon eine ganze Weile genug. Wie lange warst du diesmal betrunken?«
    »Hm, es könnte Sommer gewesen sein, als ich mir den ersten Schluck einschenkte. Was haben wir jetzt?«
    »Garantiert nicht mehr dasselbe Jahr, so viel steht fest. Wie viel Geld hast du durchgebracht?«
    »Alles, was ich hatte, und noch mehr. Mich würde es wundern, wenn es auf der Welt eine Münze gäbe, die nicht irgendwann durch meine Börse gegangen wäre. Aber im Augenblick bin ich leider nicht flüssig, und wenn du vielleicht etwas Kleingeld übrig hättest, damit ich wieder auf die Beine komme …«
    »Auf die Beine kommen solltest du allerdings, aber dafür müsstest du dich ändern.«
    Cosca zog sich an der Mauer empor, bis er sich zumindest auf Knien aufgerichtet hatte, und stieß mit einem krummen Finger gegen seine Brust. »Glaubst du vielleicht, der eingeschrumpelte, pissegetränkte, entsetzte bessere Teil meines Ichs, der Teil, der danach schreit, dieser Qual zu entfliehen, wüsste das nicht?« Er zuckte hilflos die Achseln, und der schmerzende Körper sank wieder in sich zusammen. »Aber damit ein Mann sich ändern kann, braucht er die Hilfe guter Freunde, oder, besser noch, guter Feinde. Meine Freunde sind schon lange alle tot, und meine Feinde, das muss ich leider sagen … haben meist etwas Besseres zu tun.«
    »Nicht alle.« Wieder eine Frauenstimme, aber diesmal eine, die Cosca einen Schauer des Entsetzens über den Rücken laufen ließ. Eine Gestalt trat aus der Düsternis, und der Nebel rollte sich hinter ihren zuckenden Mantelschößen in kleine Rauchkringel.
    »Nein«, krächzte er.
    Nur zu

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