Rachekuss
anders bin.«
Ihr iPhone gab einen kurzen Summton von sich und sie zog es aus der Tasche. Eine SMS von Ana-Sophia. Mit einem Foto. Flora reichte Carina das Handy.
»Schau mal, das ist unsere Clique am Posto neun, an unserem Lieblingsstrand. Der rechte da, das ist Elizeu. Süß, oder?! Was würde ich drum geben, jetzt bei ihnen zu sein.«
»Sieht gut aus«, sagte Carina und klang etwas traurig. »Aber dann wärst du nicht bei mir«, fügte sie leise an. Flora fuhr ihrer Freundin über den Arm. Der blaue Fleck war immer noch so deutlich zu sehen wie am letzten Wochenende.
»Aber ich würde dich doch mitnehmen«, sagte sie aufmunternd. »Ich würde dir ganz schnell brasilianisches Portugiesisch beibringen und dich meinen Freunden vorstellen und alle Jungs würden sich in dich verlieben, weil du so wunderbar blond bist.«
Carina lachte vorsichtig. »So wunderbar und so blond«, korrigierte Flora lachend. »Aber sag mal, wir reden immer nur über Yannik und Elizeu und so… für wen schlägt eigentlich dein Herz?«
Carina rollte mit den Augen. »Du klingst wie meine Mutter, die meint auch immer, es stimmt was nicht, nur weil ich nicht ständig irgendwelche Typen hier anschleppe. Dabei – ich lass mir halt Zeit. Ich nehm doch nicht einfach den Erstbesten.«
»Sehr vernünftig. Also, du hast noch nie…?«
»Nee. Sind doch alles miese Typen hier. Und die, die was taugen würden, interessieren sich garantiert nicht für mich. Klein und mickrig, wie ich bin. Und du?« Flora spürte, wie ihre Wangen rot wurden, und war wie immer froh, dass dies durch ihre dunkle Hautfarbe weniger auffiel.
»Ja, in Rio gab es zwei Jungs, mit denen ich geschlafen hab. Also – nacheinander versteht sich. Aber es war beide Male nicht die große Liebe. Na ja, wenigstens hab ich’s hinter mir.«
»So schlimm?«
»Nein, nicht schlimm. Aber es ging bei den Mädels die ganze Zeit: Hast du’s schon gemacht? Wann machst du’s? Mit wem machst du’s? Und so weiter. Total nervig. Und die Jungs geben damit an, wen sie rumgekriegt haben, und erzählen nur Märchen. Einer hat mal eine Lügengeschichte über mich verbreitet, er hätte es mit mir gemacht und so. Als ich das mitbekommen habe – hey, da bin ich echt zur Furie geworden. Ich hätte dem am liebsten die Augen ausgekratzt. Also, Lügen, das find ich so total scheiße – echt. Da raste ich aus. Du kannst dich über mich lustig machen, du kannst mich sonst was – aber anlügen, bah, das find ich… nee, da versteh ich überhaupt keinen Spaß.«
Carina sah den temperamentvollen Ausbruch interessiert an. »Ja, verstehe ich gut«, sagte sie dann. »Ich mag das auch nicht. Deshalb habe ich dir auch das von Yannik mit dieser Natalie erzählt. Nicht dass du es mal woanders hörst und dich dann ärgerst, warum ich dir nichts gesagt habe.«
»Danke«, sagte Flora aufrichtig. »Ich bin so froh, dass es dich gibt, echt!«
»Bin auch froh, dass es dich gibt«, grinste Carina. »Sag mal, hast du auf deinem iPhone eigentlich noch mehr Bilder oder so von deinen Freunden? Würde ich gerne mal sehen.«
»Klar«, lachte Flora. »Komm, wir gehen auf meine Facebook-Seite, da sind massig Fotos drauf. Am Computer sieht man die einfach besser.«
Den Rest des Abends verbrachten die Mädchen vor dem Bildschirm und lachten über die blödesten Schnappschüsse um die Wette. Und je leerer die Flasche Sekt wurde, die Carina aus einem angeblichen Geheimversteck ihrer Mutter gemopst hatte, umso fröhlicher wurden sie.
»Oh Gott, weißt du, was«, fiel Flora mittendrin ein. »In zehn Tagen werde ich 18.«
»Echt? Wie geil!« Carina riss begeistert die Augen auf. »Ich muss noch bis Ende März warten. Und, machst du ’ne Party?«
»Ach, wen soll ich denn einladen?«, überlegte Flora traurig.
»Wir können die Party doch bei Facebook einstellen. Ich sag dir, welchen Leuten du eine Einladung schickst. Ein paar coole Leute sind in unseren Kursen schon dabei. Müssen ja nicht so viele sein. Wir können ja einen DVD-Abend mit lauter Filmen ab 18 machen oder so.«
Flora lachte. »Und du musst dann leider zu Hause bleiben. – Nee, Quatsch, keine schlechte Idee, das machen wir. Und du stellst mir dann die nettesten Erlanger vor.«
Erst als Flora gegen elf auf der Straße stand und nach Hause ging, wurde ihr bewusst, dass sie alleine unterwegs war. In Rio wäre das undenkbar gewesen. Die ersten paar Schritte erwartete sie noch, dass sofort hinter irgendeinem Busch ein Räuber hervorspringen und ihr das iPhone
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