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Rachekuss

Rachekuss

Titel: Rachekuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Broemme
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ging zu Boden, sie umklammerte seine Knie, weinte – doch er trat nach ihr wie nach einem Straßenköter, beiläufig.
    »Bitte…«, stammelte die Frau und dann sagte sie nüchtern: »Scheiße, ich hab meinen Text vergessen.«
    »Macht nichts«, lachte Pierre Edinger und ging hinauf auf die Bühne, die in der Aula errichtet war. »Das war schon richtig gut. Langsam glaubt man dir deine Verzweiflung. Du, Lars, du kannst noch ein bisschen arroganter rüberkommen.«
    Leonie, die neben Flora in der dritten Stuhlreihe saß, schnaubte verächtlich.
    »Na, wenn einer arrogant sein kann, dann doch der.« Flora bedachte sie mit einem Seitenblick. Offenbar hatte Leonie ihr immerhin die Sache mit der Polizei verziehen. Beziehungsweise am Ende doch geglaubt, dass es nicht Flora gewesen war, die sie dort angeschwärzt hatte. Aber wer war es dann gewesen? Carina etwa? Aber warum sollte sie so etwas tun?
    »Hast du nach der Probe noch was vor?«, fragte Leonie nun. Ehe Flora nachdenken konnte, hatte sie schon ganz instinktiv den Kopf geschüttelt.
    »Vielleicht können wir ja noch…«
    »Ruhe bitte dahinten«, ließ sich Edingers strenge Stimme vernehmen. »Ihr seid auch gleich dran. Seid solange fair zu den andern.«
    Wie selbstverständlich heftete sich Leonie nach der Theaterprobe an Floras Fersen. Flora wusste nicht, wie sie ihre Begleiterin loswerden konnte.
    An der Henkestraße, ein paar Hundert Meter von der Schule entfernt, stießen sie auf Carina, die neben einem Mann in mittleren Jahren herlief und sich angeregt mit ihm unterhielt. Sie winkte Flora fröhlich zu, ignorierte jedoch Leonie. Flora fühlte sich wie eine Verräterin.
    »Udo«, sagte sie zu dem Mann neben sich. »Das ist meine liebste, beste, süßeste Freundin Flora. Und das«, sie deutete auf Udo. »Ist mein selbst erwählter Papa. Also der tollste, den es gibt.« Flora wurde leicht verlegen und auch Udo schien nicht recht zu wissen, was er sagen sollte. Er war etwa Mitte vierzig und hatte ein freundliches Gesicht mit vielen Falten, als habe er zu viel Haut für seinen schmalen Kopf abbekommen. Nase und Kinn schienen auf einen Punkt zuzusteuern, sodass er ein wenig an ein Pferd erinnerte. Er hatte nur noch wenige Haare, sehr helle blaue Augen und schön geschwungene, etwas wulstige Lippen. Auf den ersten Blick war er kein Hingucker, aber er strahlte etwas Vertrauenerweckendes aus. Außerdem war er mit Jeans und Lederjacke eher jugendlich-lässig gekleidet und nicht wie Floras Vater, der deutlich älter war, im Anzug unterwegs.
    »Wir wollten eine Kleinigkeit essen gehen, magst du mitkommen?«
    Ehe Flora antworten konnte, schaltete sich Udo ein.
    »Vielleicht machen wir das ein anderes Mal«, bat er mit sanfter, leicht fränkelnder Stimme. »Ich wollte etwas mit dir besprechen, Carina. Und daher…«
    »Okay, schon verstanden.« Carinas Lächeln wirkte jetzt ein wenig gezwungen. »Dann – see you tomorrow!« Sie winkte Flora zu und die zwei gingen weiter. Leonie starrte ihnen hinterher.
    »Ich finde, die wirkt immer wahnsinnig aufgesetzt. So unecht, künstlich. Findste nicht?«
    »Nee, finde ich nicht«, konterte Flora und ärgerte sich, dass ihre Stimme ein wenig zu genervt klang. Als wüsste sie genau, was Leonie meinte, und wollte es nur nicht zugeben.
    »Ich glaub, für ’nen Kaffee reicht es bei mir nicht mehr«, setzte sie dann ein wenig freundlicher nach. »Ich muss noch dringend lernen.«
    »Du findest mich auch nervtötend, oder?«, sagte Leonie. Es klang völlig nüchtern, in keinster Weise selbstmitleidig. Als habe sie nur festgestellt, dass es heute kalt sei.
    Flora zuckte zusammen. »Nein, Quatsch«, beeilte sie sich zu sagen. »Ich bin nur… ich weiß auch nicht… die letzten Wochen waren megaanstrengend und ich bin zurzeit einfach keine gute Gesellschafterin, sorry, das darfst du nicht persönlich nehmen. Ein anderes Mal gerne.« Sie hatte das Gefühl, ihre Nase würde gleich um mehrere Zentimeter wachsen. Aber was sollte sie auch sagen? Ja, du bist eine komische Tante und ich will nichts mit dir zu tun haben? Na, super.
    Ohne ein weiteres Wort zu sagen, drehte sich Leonie um und dackelte in die entgegengesetzte Richtung davon. Sie ließ die Schultern hängen, ebenso wie den Kopf und Flora spürte genau, dass Leonie wusste, dass sie nur höflich gelogen hatte. Was war es nur, was an dieser Leonie so nervte? Immer tauchte sie stumm aus dem Nichts auf wie ein Geist. Fing sie dann an zu reden, war sie kaum zu stoppen. In ihren Augen flackerte

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