Rachekuss
tranken nun im Café »Lorleberg« ihren Cappuccino. Auch hier waren viele Schüler unterwegs, die meisten kamen aber vom Marie-Therese-Gymnasium und so fühlten sich Flora und Carina einigermaßen inkognito.
»Sag mal«, Carina bemühte sich, interessiert zu klingen. »Bist du jetzt eigentlich richtig mit Yannik zusammen oder was?« Flora musste ein breites Grinsen unterdrücken. Stattdessen sagte sie nur wie nebenbei: »Ich glaub schon.«
»Du glaubst?«
»Ja, doch, schon. Ich weiß nicht, es ist noch alles so frisch.«
»Ja, Himmel – bist du verliebt oder nicht?«
Flora lehnte ihren Kopf an die zartgrün gestrichene Wand und dachte: Ja. Ich bin verliebt. Und dann sagte sie es auch. »Und ich glaube, jetzt wird alles wieder gut«, setzte sie nach. Carina blieb stumm.
»Soll ich dir noch was erzählen?«, fragte Flora und berichtete sofort. »Ich habe heute diesen Schwarzen wiedergesehen. Auf einer Baustelle an der Ecke Henke-/Werner-von-Siemens-Straße. Ich bin ganz sicher, dass der das war. Ich hab erst einen riesigen Schreck gekriegt – aber jetzt –, ich glaub, ich muss den mal ansprechen. Vielleicht weiß der was oder hat was gesehen.«
»Und wenn der in die Sache verwickelt war? Ich weiß nicht, das könnte gefährlich werden«, gab Carina zu bedenken.
»Ich bin mir ja gar nicht sicher, dass er es war, der mich in den Transporter geschleppt hat. Da ist immer noch das allermeiste – total schwarz.«
»Hast du nicht gesagt, dass sogar Edinger so einen weißen Bus hat?«
Flora nickte.
»Der ist doch schon auch ein komischer Typ. Und der starrt dich immer total an.« Carina klimperte mit dem Löffel an ihrer Kaffeetasse herum.
»Na ja«, überlegte Flora, »aber der wird ja wohl kaum seine Schülerinnen entführen, oder?«
»Weißt du’s?« Carina nahm eine Zeitschrift, die auf dem tiefen Fensterbrett lag, und begann, lustlos darin zu blättern. »Wer weiß schon, ob der nicht gerade Lehrer geworden ist, weil er auf junge Mädels steht. Wer kann schon in die Köpfe von Menschen reinschauen?«
»Na ja«, überlegte Flora weiter. »Entführen ist das eine – aber diese Cyber-Mobbing-Geschichte ist doch noch mal was anderes. Und glaubst du im Ernst, dass es zwei verschiedene Personen auf mich abgesehen haben? Das passt alles nicht zusammen.«
»Ist eigentlich schon wieder Ruhe eingekehrt?«
Flora beugte sich vor und begann, unwillkürlich zu flüstern: »Ich mach das iPhone im Moment gar nicht an. Der Antrag bei meinem Provider auf eine neue Nummer läuft. Und meine Mail-Adresse habe ich ja eh stillgelegt.«
»Und die Schrift an eurer Garage?«
»Soviel ich weiß, war gestern noch die Spurensicherung da und heute kommt schon ein Maler und überpinselt alles. Weißt du, irgendwie – klar, diese Anruferin gestern Morgen, die war total krass –, aber das kommt mir nicht so nahe, das ist einfach virtueller.«
»Mhm, versteh schon. Ich bin froh, dass du so gut damit umgehst. Ich wäre längst zusammengebrochen.«
»Ach komm.« Flora strich Carina über den Arm. »Du bist doch hier die Tapfere! Was du gerade mit deiner Mutter durchmachst! Aber es stimmt schon, ich glaube, noch mehr könnte ich jetzt nicht verkraften. Jetzt muss auch mal Schluss sein mit all dem Scheiß.«
Mit jedem Kuss entflammte ihre Liebe stärker. Sie konnte einfach nicht aufhören, ihn zu küssen. Vielleicht auch deshalb, weil nichts anderes in ihrem Kopf Platz hatte, wenn sie bei ihm war. Sie sprachen kaum, nur geflüsterte Worte. Laut-Liebkosungen waren das, weit davon entfernt, an ein Gespräch zu erinnern. Aber es tat gut, so gut.
Natürlich hätte Yannik einfach bei ihr übernachten können – immerhin waren sie beide volljährig. Doch Flora graute es davor, mit Yannik am nächsten Morgen beim Frühstück aufzutauchen, als sei das nichts Besonderes. Die Augenbrauen ihres Vaters würden sich verärgert zusammenziehen, ihre Mutter würde auf lässig machen und für alle wäre es irgendwie peinlich. Auch Yannik hatte nichts dagegen einzuwenden, gegen drei Uhr in der Nacht nach Hause zu fahren. Ein bisschen Geheimnis und Getuschel erhöhten nur die Spannung…
Es dauerte noch eine Weile, bis Flora endlich einschlief, und als der Wecker um Viertel vor sieben klingelte, fuhr sie aus dem Tiefschlaf hoch.
Sie dachte nicht weiter über den Weg nach, als sie um halb acht zur Schule losfuhr. Lucas war mit einem Freund zusammen unterwegs und sie war ganz froh, sich sein Geplapper nicht anhören zu müssen.
Erst das Dröhnen
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