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Rachekuss

Rachekuss

Titel: Rachekuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Broemme
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können wir auch so mal zusammen spielen«, hatte Yannik am Ende der Stunde gemeint und Flora hatte zunächst nur vage genickt. Yannik war etwas größer als sie, hatte ein Gesicht irgendwo in der Mitte zwischen zartem Jungen und markantem Mann. Grünbraune, große Augen fixierten sie unter Augenbrauen, die sich in der Mitte fast trafen. Der Knick zwischen Stirn und Nase war eher flach, die Wangenknochen stachen aus dem schmalen Gesicht hervor. Er wirkte beinahe wie eine männliche Ausgabe von Carina, sie hätten Geschwister sein können.
    Aus der Musikprobe wurde dann doch schnell eine Kinoverabredung und so trafen sie sich am Freitagabend vor dem Kino im E-Werk, um »Kinshasa Symphony« anzuschauen. Flora war überrascht gewesen, dass Yannik einen Dokumentarfilm über das einzige klassische Orchester des Kongos vorgeschlagen hatte anstelle irgendeines amerikanischen Blockbusters.
    »Die öden mich alle an«, hatte er gesagt. »Die beleidigen meine Intelligenz.« Er sprach wie Elizeu. »Sorry, ich wollte nicht wie ein Angeber klingen«, schickte er hinterher. Das wiederum wäre Elizeu nie eingefallen. Flora grinste. »Schon okay«, sagte sie, und wie schon zuvor Carina löcherte nun auch Yannik sie mit Fragen nach ihrem Leben in Rio. Sie spürte, wie gut es ihr tat, über die schönste Stadt der Welt zu reden, und sie tat es mit Leidenschaft.
    Nach dem Film, der sie beide trotz seines schweren Themas dank der mitreißenden Musik in eine leichte, träumerische Stimmung versetzt hatte, war es gar keine Frage, dass sie noch tanzen gehen würden.
    »House und Dancehall und so ’n Kram? Ist das dein Ding?«, fragte Yannik und beugte sich zu ihr hinüber. Gerne hätte ihm Flora die lockige Haarsträhne, die ihm dadurch vor den Augen hing, zurückgestrichen.
    »Klar«, sagte sie. »Ich mag fast alle Musik. Deathpunk vielleicht nicht gerade. Aber sonst – Vamos dançar! Wohin?«
    Nur ein paar Straßen weiter war der »Zirkel« – die einzige Diskothek, in die man im Umkreis von 30 Kilometern guten Gewissens gehen konnte, wie Yannik erklärte. Brummige Beats schallten ihnen bereits am Eingang entgegen und ihre Sprache wurde sofort auf die ihrer Körper reduziert. Yannik griff nach Floras Hand und zog sie hinter sich her zwischen den vielen Leuten hindurch in den Saal. Der war ziemlich groß und schlicht, ein Kellergewölbe mit weiß gekalkten Wänden, die im Licht rötlich schimmerten. Flora fühlte sich an die Dorfdiscos im Hinterland der »regiao dos lagos« erinnert, wo sie viele Ferientage mit ihren Eltern und Klassenkameraden verbracht hatte. Die Musik war so laut, dass man definitiv nicht reden konnte, und so holte Yannik, ohne Flora zu fragen, Bier. Sie stellten sich in eine Ecke, hielten sich an ihren Flaschen fest und waren beide ganz froh, dass sie nicht reden mussten. Flora wippte im Takt der Musik mit, während Yannik ziemlich steif dastand und ernst auf die wogende Menge der Tanzenden blickte. Im Gedränge erkannte Flora einige Leute aus ihren Kursen und bedauerte einen kurzen Moment, dass sie Yannik nicht nach ihnen ausfragen konnte. Stattdessen fing sie nun an, richtig zu tanzen, die Handtasche über der Schulter, das Bier in der Hand, wie sie es gewohnt war. Yannik zeigte darauf und wischte dann mit der flachen Hand schnell vor seinen Augen. Meinte er etwa, sie solle ihre Tasche hier irgendwo ablegen? In Rio würde sie nach gefühlten 30 Sekunden verschwinden. Und sein Glas oder seine Flasche ließ man auch nicht einfach herumstehen, wenn man verhindern wollte, dass irgendetwas Ungesundes hineingeschüttet wurde. Flora zuckte die Achseln und tanzte ein paar Schritte von Yannik fort. Sie spürte, wie seine Augen ihr folgten. Und sie keinen Moment losließen. Sie wunderte sich, dass er noch immer unbeweglich herumstand. Galt das hier als cool? Elizeu war ein göttlicher Tänzer – immer genau im Rhythmus, geschmeidig, ausdauernd. Flora hatte es geliebt, im Tanz mit ihm zu verschmelzen, nur noch seinen Körper, seine Muskeln zu sehen, die Musik wie Blut in ihren Adern pulsieren zu spüren, einen reinen Strom von Energie zwischen ihnen beiden, der den Takt von Annäherung und Entfernung vorgab – ein magisches Gefühl.
    Doch hier kam sie sich wirklich exotisch vor, angegafft, nicht nur von Yannik, sondern von allen andern ebenso. Allein war sie unter diesen vielen Blicken auf dieser grellen, in viel zu buntes Licht getauchten Tanzfläche, umgeben von einer Musik, die zu hart war für ihre weichen,

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