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Rachel im Wunderland: Roman (German Edition)

Rachel im Wunderland: Roman (German Edition)

Titel: Rachel im Wunderland: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marian Keyes
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Entlassung in greifbare Nähe gerückt war.
    Dennoch gefiel es mir nicht, rausgeworfen zu werden.
    Es gefiel mir noch weniger, als ich nach Hause kam und Brigit in der Wohnung einen Freudentanz vollführte, weil ihr Gehalt verdoppelt worden war und sie ein neues Büro und einen neuen Titel bekommen hatte. Sie war jetzt Assistentin des stellvertretenden Vizedirektors ihrer Abteilung. »Bisher war ich immer nur Junior- Assistentin, daran kannst du sehen, wie weit ich es gebracht habe.«
    »Na wunderbar«, sagte ich bitter. »Jetzt wirst du wahrscheinlich wie eine New Yorkerin richtig aufdrehen, morgens um vier ins Büro gehen und bis Mitternacht arbeiten, am Wochenende bringst du Arbeit mit nach Hause, Ferien machst du auch keine mehr, und dann findest dich auch noch toll.«
    »Wie schön, dass du dich für mich freust, Rachel«, sagte sie leise. Dann ging sie in ihr Zimmer und schlug die Tür so kräftig zu, dass beinahe die Wand eingestürzt wäre. Ich sah ihr verbittert nach. Was hatte sie nur?, fragte ich mich selbstgerecht. Schließlich war ja nicht sie gerade entlassen worden. Ich warf mich aufs Sofa und schwelgte in wohlverdientem Selbstmitleid.
    Ich war schon immer der Überzeugung gewesen, dass es auf der Welt nur eine begrenzte Menge Glück gab. Und Brigit hatte sich gerade die Portion, die uns beiden zustand, für sich allein gesichert und mir nichts übriggelassen, nicht ein Milligramm.
    Egoistische Ziege, dachte ich wütend, und durchsuchte die Wohnung nach Alkohol oder etwas Drogenartigem. Ich armer Pechvogel, ich armer, arbeitsloser Pechvogel. Wahrscheinlich musste ich jetzt bei McDonald’s arbeiten gehen. Na, hoffentlich war Brigit ihrem neuen Posten nicht gewachsen und bekam einen Nervenzusammenbruch. Das geschähe ihr recht, dem eingebildeten Biest.
    Ich suchte in allen Schränken nach einer Flasche Rum, die ich irgendwann gesehen hatte, aber dann fiel mir ein, dass ich sie am Abend zuvor geleert hatte.
    So ein Mist, dachte ich und kostete mein Unglück voll aus.
    Da ich keine stimmungsaufhellenden Drogen finden konnte, versuchte ich mich mit Gedanken daran zu trösten, dass Brigit kein Leben mehr haben würde und sich abschuften müsste, denn der Preis für Erfolg im Beruf war hoch. Dann war ich plötzlich zutiefst verunsichert. Wenn Brigit mich jetzt verlassen würde?, dachte ich voller Panik. Wenn sie nun in eine schöne Wohnung in Midtown zöge, mit einer Klimaanlage und einem Fitnessstudio im Haus? Was würde ich dann machen? Wo würde ich dann leben? Ich konnte mir die hohe Miete nicht leisten.
    In diesem Augenblick hatte ich eine Erkenntnis, so ähnlich wie Saulus auf der Straße nach Damaskus. Ich erkannte plötzlich klar meine Interessenlage.
    Ich stand vom Sofa auf, schob mein ungutes Gefühl beiseite und klopfte an Brigits Tür.
    »Es tut mir leid, Brigit«, sagte ich, »ich bin eine schreckliche Egoistin. Es tut mir leid.«
    Ich stand vor einer Wand des Schweigens.
    »Es tut mir leid«, sagte ich noch einmal. »Die Sache ist nur die, dass sie mich heute Nachmittag gefeuert haben, und da habe ich mich, du weißt schon ...«
    Immer noch keine Antwort.
    »Mach doch auf, Brigit, bitte«, bettelte ich. »Es tut mir wirklich leid.«
    Die Tür wurde aufgerissen und Brigit stand vor mir, das Gesicht vom Weinen gerötet.
    »Ach Rachel«, seufzte sie, und ich konnte ihren Tonfall nicht deuten. Vergebung? Entnervung? Mitleid? Erschöpfung? Es hätte alles sein können, aber ich hoffte, es war Vergebung.
    »Komm, wir gehen aus, und ich lad dich zu einer Flasche Champagner ein, zur Feier des Tages«, schlug ich vor.
    Sie ließ den Kopf hängen und fuhr mit dem Zeh ein Muster auf dem Teppich nach.
    »Ich weiß nicht ...«
    »Ach komm«, bedrängte ich sie.
    »Na gut«, erklärte sie sich bereit.
    »Da ist noch ein Problem«, sagte ich hastig. »IchbinziemlichblankimMoment, aberwenndumirGeldleihst, zahlichesdirsobaldwiemöglichzurück.«
    Ganz still, zu still für meinen Geschmack, seufzte sie und erklärte sich einverstanden.
    Ich bestand auf der Llama Lounge.
    »Darunter mach ich es nicht«, sagte ich. »Schließlich wird nicht jeden Tag einer von uns befördert. Wenigstens ich nicht, hahaha.«
    In der Llama Lounge hing neben dem aufblasbaren Sofa ein Schild, auf dem stand: »Vor dem Sitzen auf dem Sofa mit nackten Beinen wird gewarnt.« Brigit und ich warfen einen Blick darauf und sagten wie aus einem Munde: »Da setzen wir uns nicht hin!« Ich hoffte, dass diese Übereinstimmung bedeutete, dass

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