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Rachel im Wunderland: Roman (German Edition)

Rachel im Wunderland: Roman (German Edition)

Titel: Rachel im Wunderland: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marian Keyes
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gegenseitigem Verständnis gab.
    Wir hatten eine Ebene erreicht, wo wir beide eine Menge voneinander wussten, auch schlechte Dinge, besonders schlechte Dinge, und trotzdem weitermachen wollten.
    In Vorbereitung auf mein französisches Gratisessen zog ich mich sittsam an.
    Von außen gesehen wenigstens.
    Ich trug das Kleid, das ich mein Erwachsenen-Kleid nannte. Denn es war weder schwarz noch aus Lycra, und meine Unterhose zeichnete sich nicht darunter ab. Es war ein dunkelgraues, nonnenhaft keusches Gewand. Wegen dieser Eigenschaften hatte ich es für die reine Geldverschwendung gehalten, aber Brigit hatte mich überredet, es zu kaufen, und gemeint, es würde eines Tages genau passend sein. Ich sagte, ich hätte nicht vor zu sterben oder in ein Kloster einzutreten oder mich wegen Mordes vor Gericht stellen zu lassen. Doch als ich jetzt meine ziemlich züchtige und gleichzeitig kein bisschen abschreckende Gestalt im Spiegel betrachtete, musste ich zugeben, dass sie recht gehabt hatte.
    Es wurde noch besser. Ich zog hochhackige Schuhe an und steckte mir das Haar hoch. Normalerweise konnte ich nur das eine oder das andere tun, es sei denn, ich wollte die anderen unbedingt turmhoch überragen. Aber Luke war Manns genug dafür.
    Unter meiner Kutte hatte ich mich in schwarze Strümpfe und Straps gezwängt. Ein sicheres Zeichen, dass ich verrückt nach Luke war. Denn keiner würde solche Unterwäsche tragen, ohne den Vorsatz, sie möglichst bald wieder abzulegen. Unbequem und unnatürlich, das war meine Meinung dazu. Ich kam mir lächerlich vor und fühlte mich wie ein Transvestit.
    Es wurde halb neun, und Luke erschien. Ich warf einen Blick auf ihn – dunkeläugig, glatt rasiert, nach Citrusaroma duftend –, und die Schmetterlinge in meinem Bauch erwachten in Scharen und fingen an, Purzelbäume zu schlagen.
    Er sah eleganter aus, als ich ihn je zuvor gesehen hatte. Weil er weniger Haar und weniger Jeansstoff an sich hatte. Das bedeutete, dass er mich ernst nahm, und ich strahlte vor Freude.
    Als er über die Schwelle trat, machte ich mich darauf gefasst, mit heißen Küssen übersät zu werden. Ich war überrascht, als er mich nicht küsste. Ich war verdutzt, erholte mich aber schnell und weigerte mich, in die Niederungen der Depression hinabzusteigen, die sich vor mir auftaten. Ich dachte nicht: Er ist nicht scharf auf mich. Ich wusste, dass er scharf auf mich war, ich hätte mein Leben darauf gewettet.
    Er war höflich genug, auf dem Sofa Platz zu nehmen und mich nicht auf den Fußboden zu werfen und sich auf mich zu stürzen. Wie merkwürdig, dass wir mindestens fünf Sekunden im selben Zimmer waren und immer noch alle Kleider anhatten!
    »Ich bin gleich fertig«, sagte ich.
    »Immer mit der Ruhe«, sagte er.
    Ich spürte, wie er mich ansah, während ich unbeholfen durch die Wohnung polterte und meine Schlüssel suchte. Hier stieß ich mir den Hüftknochen an der Anrichte an, dort schürfte ich mir den Ellbogen an der Türklinke auf. Der Mann meiner Sehnsüchte brauchte mich nur zu beobachten, damit meine angeborene Ungeschicklichkeit besonders deutlich zutage treten konnte. Schließlich drehte ich mich zu ihm um und sagte mit gespielter Entnervtheit: »Und?«
    Ich wusste, dass ich gut aussah.
    »Du siehst ...«, er hielt einen Moment inne, »... phantastisch aus.«
    Das war die richtige Antwort.

    Ich kannte das Restaurant nicht, in das wir gingen, hatte noch nie davon gehört. Aber es war wunderbar. Dicke Teppiche, dämmriges, fast schon schummriges Licht und beflissene, leise sprechende Kellner, die ihren französischen Akzent so übertrieben, dass sie sich untereinander kaum verstanden.
    Luke und ich unterhielten uns den ganzen Abend über kaum. Aber das deutete nicht auf eine Verstimmung hin. Im Gegenteil, ich hatte mich noch nie im Leben einem anderen Menschen so nah gefühlt, noch nie. Wir hörten nicht auf, uns gegenseitig anzulächeln. Wir lächelten über das ganze Gesicht und sahen uns immerzu in die Augen.
    Er war weiterhin so höflich wie am Beginn des Abends, kein bisschen aufdringlich oder anmaßend. Stattdessen nahm er es mit dem Taxifahrerbezahlen, dem Türenaufhalten, dem Hinein- und Hinausführen ohne jegliche Berührung sehr ernst. Und mit jeder Höflichkeitsgeste breitete sich ein großes Lächeln über unsere Gesichter.
    Als er mir seine Hand reichte und mir ins Taxi half, lächelten wir uns breit an. Als wir im Bonne Chère (Das gute Teure) ankamen, half er mir eilfertig aus dem Taxi, und wir

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