Rachel im Wunderland: Roman (German Edition)
Arbeit.
Anders ausgedrückt: Schwerstarbeit, Trübsal und Langeweile, alles in einem.
Nach meinem ersten Tag schleppte ich mich erschöpft und unglücklich nach Hause, und als ich in die Wohnung kam, klingelte das Telefon.
»Ja?«, sagte ich nicht besonders höflich, bereit, meine schlechte Laune an dem Menschen am anderen Ende auszulassen.
Es entstand eine kurze – bedeutungsschwere – Pause, dann hörte ich Lukes Stimme liebevoll sagen: »Rachel?« Und das kleine Feuer in meiner Brust loderte hell auf.
Instinktiv wusste ich, dass dieser Anruf nicht einer normalen Frage galt wie: »Ich kann meine Boxershorts nicht finden und wollte wissen, ob ich sie zufällig bei dir liegengelassen habe. Könntest du sie vielleicht waschen und mir vorbeibringen?«
Ganz im Gegenteil.
Der Tonfall seiner Stimme, mit dem er »Rachel?« gesagt hatte, als würde er mich streicheln, verriet mir, dass alles gut werden würde. Mehr als gut.
Ich war überzeugt gewesen, dass ich nie wieder von ihm hören würde. Fast wäre ich in Tränen ausgebrochen, vor Erleichterung, Freude, Erlösung, Dankbarkeit, dass ich noch eine Chance bekam.
»Luke?«, sagte ich. Und nicht: »Daryl?« oder »Frederick?« oder »Beelzebub?« oder sonst einen Namen – was ich getan hätte, wenn ich ihn hätte zum Narren halten wollen.
»Wie geht es dir?«, fragte er.
Nenn mich Babe.
»Gut«, sagte ich. »Na ja, ich bin gefeuert worden und habe eine neue Stelle, und die ist scheußlich, und das Hotel ist scheußlich, und ich glaube, dass es von Prostituierten frequentiert wird, und das Gehalt ist erbärmlich, aber mir geht es gut. Wie geht es dir?«
Er lachte auf, es war ein warmes, freundliches Lachen, das ausdrückte, dass er mich mochte, und ich hatte das Gefühl, dass ich ihn liebte.
»Besteht die Möglichkeit, dich zum Abendessen einzuladen?« , fragte er.
Zum Essen einladen. Einladen, zum Essen. So viel liegt in diesem einen Wort. Es bedeutet: Ich mag dich. Es bedeutet auch: Ich werde für dich sorgen. Und, was am allerwichtigsten war, es hieß: Ich bezahle für dich.
Ich wollte schon sagen: Und was ist mit Anya?, doch zum ersten Mal in meinem selbstzerstörerischen Leben verhielt ich mich richtig und blieb ruhig. »Wann?«, fragte ich. Gleich, gleich, gleich.
»Heute Abend?«
Wahrscheinlich hätte ich so tun sollen, als wäre ich schon verabredet. Ist das nicht eine der goldenen Regeln, wie man sich einen Mann angelt? Doch ich hatte nicht die Absicht, ihn mir wieder durch die Lappen gehen zu lassen.
»Heute Abend wäre wunderbar«, sagte ich liebenswürdig.
»Oh, und entschuldige bitte, dass ich neulich Abend nicht zu dir und Brigit gekommen bin«, fügte er hinzu. »Anyas Typ hatte sie gerade sitzenlassen, und ich habe versucht, sie ein bisschen aufzuheitern.«
Mein Becher war zum Überfließen gefüllt.
44
E s war eine Verabredung, eine richtige Verabredung. Er hatte gesagt, er würde mich um halb neun abholen und mit mir in ein französisches Restaurant gehen. Ich spürte einen leichten Anflug von Panik, als er das französische Restaurant erwähnte, weil nur Landeier und Touristen französisch essen gingen, während turkmenische Restaurants dazu da waren, ein Mädchen zu beeindrucken.
Ich machte mich langsam und in aller Ruhe fertig. Die aufwühlende Erregung, die ich sonst im Zusammenhang mit Luke verspürte, war nicht da. Stattdessen empfand ich eine gleichmäßig glühende Vorfreude.
Ich hatte Schmetterlinge im Bauch, aber die schliefen. Hin und wieder dehnten und streckten sie sich, einfach nur, um mich daran zu erinnern, dass sie da waren.
Natürlich war es möglich, sagte ich mir, dass Luke mich und Anya und weiß der Himmel wen noch an der Nase herumführte. Aber ich war mir sicher, dass er es nicht tat. Ich wusste nicht, woher ich diese unerschütterliche Überzeugung nahm, aber ich zweifelte nicht daran.
Wir hatten so viele Verwicklungen hinter uns: Wir hatten nach der Party in den Rickshaw Rooms miteinander geschlafen, er hatte mich wiedersehen wollen, und ich hatte ihn abgewiesen; ich hatte ihn auf meiner Party angemacht, und er hatte mich abgewiesen; er hatte überall nach mir gesucht, wir waren uns in der Llama Lounge wiederbegegnet; wir hatten überwältigenden Sex gehabt, dann war Daryl gekommen, und Luke war beleidigt abgezogen. Wenn er nach all dem, den Annäherungsversuchen und den Zurückweisungen, immer noch mit mir ausgehen wollte und ich mit ihm, dann bedeutete das, dass es einen winzigen Ansatz von
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