Rachel im Wunderland: Roman (German Edition)
Brigit mir verziehen hatte. Aber die Unterhaltung ging nur schleppend voran. Ich bemühte mich, vielleicht zu sehr, ihr zu zeigen, wie sehr ich mich über ihre Beförderung freute, doch es war ein schwieriges Unterfangen.
Mitten in meinen Bemühungen sah sie zur Tür hinüber und murmelte: »Da kommt dein Kerl.«
Bitte, lieber Gott, lass es Luke sein, betete ich, und meine Eingeweide erzitterten. Und Gott tat mir den Gefallen, aber leider hatte die Sache einen Haken. Es war tatsächlich Luke. Jedoch wurde er von keiner anderen als der unvergleichlichen Anya begleitet, der dünnen, gebräunten, mandeläugigen Anya.
Der erste Gedanke, der mir durch den Kopf schoss, war: Wenn er gut genug für Anya ist, dann ist er gut genug für mich.
Nicht dass ich mir das aussuchen konnte. Luke nickte unverbindlich zu Brigit und mir herüber, kam aber nicht näher.
Meine Welt machte eine Bauchlandung, und Brigit sagte laut: »Was ist denn mit unserem supercoolen Luke los.«
Luke und Anya wirkten sehr vertraut miteinander. Als wären sie gerade zusammen aus dem Bett gestiegen. Das bildete ich mir doch ein, oder? fragte ich mich besorgt. Aber ihre Gesichter waren sich ganz nah, und ihre Blicke praktisch ineinander versunken. Ihre Schenkel berührten sich. Wähend ich sie schreckerstarrt beobachtete, ließ er seinen Arm über die Rückenlehne ihres Stuhls gleiten und berührte ihre schmalen, aber kräftigen Schultern.
Ich hatte die ganze Zeit schon gewusst, dass er auf Anya scharf war. Ich wusste es ganz genau. Und mir erzählt er den ganzen Unsinn, was sie für ein nettes Mädchen ist.
»Glotz nicht so rüber«, zischte Brigit.
Ich zuckte zusammen und kam wieder zu mir.
»Wir tauschen die Plätze!«, befahl Brigit, »dann sitzt du mit dem Rücken zu ihm. Und hör auf zu gucken, wie eins von diesen hungernden Kindern. Steck die Zunge rein, sie hängt dir schon bis zum Knie.«
Ich folgte und bereute es im nächsten Moment. Dann wollte ich, dass Brigit für mich in ihre Richtung starrte.
»Was macht er?«, fragte ich sie.
Sie warf einen Blick hinüber. »Er hält ihre Hand.«
Ich stöhnte auf.
»Immer noch?«, fragte ich ein paar Sekunden später.
»Was immer noch?«
»Hält er immer noch ihre Hand?«
»Ja.«
»Oh, Himmel.« Ich hätte weinen können. »Wie sieht er aus?«
»Ungefähr eins achtzig groß, dunkles Haar ...«
»Nein! Wie sieht sein Gesicht aus? Ich meine, sieht er glücklich aus? So, als ob er verrückt nach ihr ist?«
»Trink das aus«, sagte Brigit und deutete auf mein Glas. »Wir gehen.«
»Nein«, wehrte ich mich mitleiser, aber heftiger Stimme. »Ich will hierbleiben. Ich muss sie beobachten ...«
»Nein.« Brigit ließ sich nicht überreden. »Kommt gar nicht in Frage, das hilft keinem. Und lass dir das eine Warnung sein. Wenn du das nächste Mal einen Mann kennenlernst, der so sexy und freundlich ist wie Luke Costello, dann verpatz es nicht wieder.«
»Findest du ihn sexy und freundlich?«, fragte ich ganz überrascht.
»Natürlich«, sagte sie erstaunt.
»Wieso hast du das nicht gesagt?«
»Warum? Muss ich immer alles gutheißen, bevor du es selber gut finden kannst?«, fragte sie.
Blöde Kuh, dachte ich verärgert. Es war gerade ein paar Stunden her, dass sie befördert worden war, und schon spielte sie sich auf, als wäre sie die Chefin.
Ein paar Tage lang trauerte ich um ihn. Ich fühlte mich sehr einsam. Aber ich machte mir keine Hoffnung, weil ich wusste, dass ich es mit Anya nicht aufnehmen konnte. Niemals! Ich kannte meine Grenzen.
Ich verbrachte meine Zeit damit, nach einer neuen Stelle Ausschau zu halten. Die Anstrengung, die ich unternahm, konnte wohl kaum als »suchen« bezeichnet werden.
Angesichts meiner geringen Berufserfahrung und mangelnden Schulabschlüsse standen mir nicht allzu viele Möglichkeiten offen. Trotzdem gelang es mir, einen Job in einem anderen Hotel aufzutun. Nicht so gut wie der im Old Shillayleagh, obwohl der gar nicht so gut gewesen war. Mein neuer Arbeitsplatz war im Barbados Motel. Ich hatte keine Ahnung, warum es so hieß. Es hatte mit Barbados nichts zu tun, es sei denn, auf Barbados ist es üblich, für die Stunden zu bezahlen.
Eric, mein Chef, war einer der dicksten Männer, die ich je gesehen hatte. Er wurde Obergrabscher genannt, weil er enorm große Hände hatte. Die meisten Angestellten waren illegale Einwanderer, weil die Hotelleitung dazu neigte, Gehälter unter dem gesetzlichen Mindestlohn zu zahlen.
Aber immerhin, es war
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