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Rachel im Wunderland: Roman (German Edition)

Rachel im Wunderland: Roman (German Edition)

Titel: Rachel im Wunderland: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marian Keyes
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und mein Magen mit schnell härtendem Beton gefüllt, fühlte ich mich leicht und schwebend.
    Wir wussten wohl beide, dass unsere Gefühle für den anderen ganz zart und zerbrechlich waren und äußerst sorgsam behandelt und sachte gehalten werden mussten. Wir durften sie nicht aufrühren oder bewegen, doch obwohl sie so still waren, spürten wir sie sehr deutlich. Und spürten sonst nicht viel. Es war nicht nötig, dass wir uns gegenseitig mit lustigen Geschichten übertrumpften, weil wir beide wussten, dass wir lustige Geschichten erzählen konnten. Es war nicht nötig, dass wir gegenseitig über uns herfielen und uns die Kleider vom Leib rissen. Das würde zu seiner Zeit ohnehin geschehen. Wir bewegten uns nur einmal auf vermintem Gebiet, und zwar als Luke fragte: »Wie geht es Daryl?«
    »Hör zu«, sagte ich verlegen und beschloss, mit offenen Karten zu spielen, »zwischen mir und Daryl hat sich nichts abgespielt.«
    »Da bin ich mir ganz sicher«, sagte er.
    »Wieso?«, fragte ich, ein bisschen pikiert.
    »Weil er schwul ist«, sagte Luke und lachte.
    »Das glaube ich nicht.« Ich wurde rot wie eine Tomate. Obwohl, wenn ich es recht bedachte, so erklärte es eine Menge.
    Aber hätte er dann nicht nach »Dada« rufen sollen, statt nach »Mama«?
    »Aber er hat so viel damit zu tun, sich Drogen zu beschaffen«, sagte Luke angewidert, »dass es mich wundern würde, wenn er überhaupt ein Sexleben hat.«
    »Ja, stimmt«, sagte ich, weil ich nicht wusste, was ich sagen sollte, aber das Gefühl hatte, dass ich etwas sagen sollte.
    Den ganzen Abend war ein Strom des Verlangens sanft über das Fundament unserer Bestimmung füreinander gesprudelt. Als Luke die Rechnung bezahlte (Habe ich es nicht gesagt? Er lädt mich ein!), schmolz der winterliche Widerstand, und die Strömung wurde stärker.
    Als wir draußen in der feuchtschwülen Nacht standen, fragte Luke höflich: »Möchtest du laufen, oder soll ich ein Taxi rufen?«
    »Lieber laufen«, sagte ich, weil sich die Erwartung so langsam aufbauen konnte.
    Auf dem Weg nahm er nicht meine Hand, sondern ließ seine Hand über meinem Kreuz schweben, was ich richtig süß fand. Die strenge Trennung, das So-nah-und-doch-sofern-Gefühl, neben ihm zu sein und ihn nicht zu berühren, steigerte nur noch mein Verlangen nach ihm.
    Als wir endlich in die Straße zu meiner Wohnung einbogen, spürte ich Erleichterung. Wurde auch langsam Zeit, dachte ich. Das Fehlen jeglicher Berührung war eine größere Anspannung gewesen, als mir bewusst war. Fröhlich wollte ich die Szene mit der Frage: »Kommst du noch auf einen Kaffee rauf?« einleiten.
    Ich eilte die Stufen zur Haustür hinauf, bereit, ins Haus zu stürzen und die Treppen raufzulaufen, als er stehenblieb. Er zog mich an sich und gab mir einen Kuss auf die Wange. Am liebsten wollte ich ihm zwischen die Beine greifen, aber es war ein so schöner und beherrschter Abend gewesen, dass ich mich dazu zwang, noch ein bisschen länger zu warten.
    »Danke für einen schönen Abend«, murmelte er mir ins Ohr.
    »Gern geschehen«, sagte ich. »Ich danke dir.«
    Ich lächelte höflich, aber ich wurde ungeduldig und dachte: jetzt reicht es aber; lass uns machen, dass wir nach oben kommen, damit du mich auf den Fußboden werfen und deine Hand unter mein Kleid schieben kannst, wie sonst immer.
    »Sehen wir uns bald?«, sagte er. »Kann ich dich morgen anrufen?«
    »Ist gut«, sagte ich, aber meine Freude schwand dahin, als wäre der Stöpsel rausgezogen worden. Er konnte doch jetzt nicht ernsthaft nach Hause gehen, oder? Unser sittsames Verhalten war schön und gut, aber doch nur, weil ich nicht eine Minute geglaubt hatte, dass es wirklich so gemeint war. Und hatte ich mir wirklich diese Mühe gemacht und Strümpfe und Straps angezogen, damit ich sie mir eigenhändig wieder auszog?
    »Gute Nacht«, sagte er, beugte sich herab und gab mir einen Kuss auf den Mund. Seine Lippen blieben ein bisschen zu lange auf meinen liegen, als dass es wie ein heiliger Moment war. Dann trat er einen Schritt zurück, und in meinem Kopf drehte sich alles, vor meinen Augen tanzten Sterne.
    »Oh, beinahe hätte ich es vergessen«, sagte er und überreichte mir ein kleines Paket, das er sich anscheinend aus dem Ärmel gezogen hatte. Und ohne ein weiteres Wort – beziehungsweise ohne eine weitere Tat – drehte er sich um und ging davon. Und ich stand da und starrte ihm mit offenem Mund nach.
    Himmelherrgott, dachte ich konsterniert. Ich meine, Himmelherrgott.
    Ich

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