Rachel im Wunderland: Roman (German Edition)
zu mir gesagt, ich sähe aus wie Linda Fiorentina, und ich war so dankbar, dass ich mit ihm geschlafen habe.)
»Wer? Linda wie? Nein!« Mum machte ein paar Tanzschritte, um ihr Gedächtnis aufzurütteln. »Es liegt mir auf der Zunge. Oh, wie hieß der Film denn noch?«
»Die letzte Verführung?«
»Das hört sich an wie der letzte Schweinskram. Nein, der war es bestimmt nicht. Ach, jetzt fällt es mir ein! Sie war in diesem Film mit Daniel Day Lewis ...«
Mein Herz wurde schwer.
»... ihr wisst schon, über so einen Maler, einen ganz armen Teufel... Christy Brown! My Left Foot , genau, genau, der war’s!« Sie strahlte triumphierend.
»Wie hieß noch die Schauspielerin, die die Mutter gespielt hat?«
»Brenda Fricker«, sagte ich niedergeschlagen.
62
I ch hatte die Wahl: Ich konnte mir eine Schlinge um den Hals legen und den Stuhl unter meinen Füßen wegstoßen, oder ich konnte mich für meine Verabredung mit Chris zurechtmachen.
Am liebsten hätte ich unser Treffen verschoben, bis meine Haare wieder lang waren, aber ich konnte mir nicht sicher sein, dass Chris zwölf Jahre warten würde.
Allerdings sah ich nicht zu sehr zum Kotzen aus, nachdem ich die damenhaften Locken ausgewaschen und dreimal so viel Make-up wie sonst aufgetragen hatte.
»Wenigstens ist es wunderbar gesund«, tröstete ich mich, nachdem ich mein Haar so flach wie möglich gebürstet hatte, damit es länger wirkte. Hinter mir ertönte lautes Gelächter von Helen. »Hört sie euch an«, prustete sie. »Mann, bist du eine traurige Figur. Guck dir mein Haar an«, sagte sie und hob eine Strähne ihres seidenen, taillenlangen Haars empor. »Spliss bis zum Geht-nicht-mehr. Aber kümmert mich das? Nicht die Bohne!«
Am Mittwoch verbrachte ich Stunden damit, mich schönzumachen. Die Vorbereitungen begannen gleich nach dem Aufstehen (ungefähr um halb drei) und dauerten den ganzen Nachmittag. Noch einmal wusch ich mir meine Resthaare und rasierte große Teile meines Körpers, während ich über die Ungerechtigkeit nachdachte, dass ich viel zu viele Haare an den Beinen hatte, aber nicht genug auf dem Kopf. Natürlich war es ganz überflüssig, mir die Beine zu rasieren, weil Chris sowieso nicht die Gelegenheit haben würde, sie zu sehen. Aber es konnte auch nicht schaden, dachte ich und spürte ein angenehmes Rumoren im Magen.
Anschließend rieb ich mich großzügig mit Helens Issey Miyake Body Lotion ein. Prompt regten sich Schuldgefühle. Ich hätte sie fragen sollen. Und wenn sie es mir nicht gegeben hätte, hätte ich sie nicht eine blöde Ziege nennen, sondern es wie eine Erwachsene akzeptieren sollen. Das nächste Mal, wenn ich was von ihr stehlen wollte, würde ich das üben, nahm ich mir vor.
Als ich diesen Gedanken zu Ende gedacht hatte, schwebte meine Hand über Helens Flasche mit Eau de Parfum... dann griff ich entschlossen zu. War es nicht zu spät, nachdem ich doch schon die Body Lotion genommen hatte? Parfum war etwas anderes, davon gab es mehr. Manche Leute würden einen als egoistische Schlampe beschimpfen, wenn man ihre Body Lotion fast aufbrauchte, aber sie würden sogar einer total Fremden ein paar Spritzer ihres Parfums abgeben, kein Problem.
Der nächste Punkt auf der Tagesordnung war die große, ungelöste Frage, was ich anziehen sollte. Meine Sorge, dass ich Chris die richtige Botschaft mit meiner Kleidung vermitteln wollte – sexy, aber locker, elegant, aber unkompliziert –, wurde durch mehrere Faktoren vergrößert. Erstens: Alle meine Sommersachen waren in New York. Zweitens: Was in New York brandaktuell war, konnte in Dublin zu einem Verkehrschaos führen. Und drittens – und es fiel mir schwer, das zuzugeben: Ich wusste nicht so recht, wie ich mich in der Welt da draußen verhalten sollte.
Mum beobachtete meine Vorbereitungen mit Stirnrunzeln. Das galt weniger der Tatsache, dass ihre Tochter, die erst kürzlich aus einer Suchtklinik entlassen worden war, sich in die drogenverseuchte Welt wagen wollte, sondern einem viel wichtigeren Aspekt.
»Helen bringt dich um«, sagte sie warnend, als sie die halbleere Flasche mit Body Lotion sah.
»Soll sie doch«, sagte ich gereizt.
»Mit wem triffst du dich eigentlich?« Ich hörte ihre tiefe Besorgnis heraus, und das tat mir weh und ärgerte mich gleichzeitig.
»Chris aus der Klapsmühle«, sagte ich. »Du kennst ihn, ihr habt ihn kennengelernt. Du brauchst dir also keine Sorgen zu machen, ich treffe mich mit niemandem, der Drogen nimmt.«
»Chris Hutchinson?«,
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