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Rachel im Wunderland: Roman (German Edition)

Rachel im Wunderland: Roman (German Edition)

Titel: Rachel im Wunderland: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marian Keyes
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ungeduldig.
    Vielleicht wäre es gar nicht so schlecht, dachte ich. Ein neuer Anfang, weg mit dem ganzen toten Gestrüpp und dem toten Haar der Vergangenheit, und hinein in eine gesunde, ehrliche Zukunft mit gesundem, ehrlichem Haar.
    »Also gut«, sagte ich.
    Die Hand, die die Schere führt, beherrscht die Welt.

    Helen sah auf, als ich ins Haus kam.
    »Das ist ja eine Damenfrisur«, sagte sie überrascht. »Warum hast du dir eine Damenfrisur machen lassen?«
    »Ich wollte das nicht so haben!«, kreischte ich.
    Ich trat vor den Spiegel, um zu sehen, ob es so schlimm war, wie es im Friseursalon ausgesehen hatte. Ich hatte einen weißen Streifen um den Haaransatz, wo die Grundierung weggewaschen worden war. Ich hatte graue Ringe unter den Augen. Doch das Schlimmste war, dass ich kurzes, gewelltes Haar hatte. Jasmine hatte es großzügig geschnitten, viel kürzer als schulterlang. Und um mein Unglück komplett zu machen, hatte sie es zu kurzen, krausen Damenlöckchen gefönt.
    »Ich sehe so hässlich aus«, schluchzte ich. Dicke, heiße Tränen.
    »Allerdings«, pflichtete Helen mir bei.
    Ich war froh, dass sie mir zustimmte. Wenn Mum dagewesen wäre mit ihrem: »Es wächst ja wieder«, hätte ich wahrscheinlich einen hysterischen Anfall bekommen.
    Ich dachte an all das schöne lange Haar auf dem Fußboden im Friseursalon, Haar, das Luke mit seinen Fingern zerzaust hatte, und ich weinte noch mehr.
    »Mein Leben ist vorbei«, heulte ich.
    »Auf jeden Fall solltest du eine Weile nicht ausgehen«, riet Helen mir.
    Als sie das sagte, kriegte ich fast keine Luft mehr. Ausgehen! Ich hatte vor, mich am nächsten Tag mit Chris zu treffen! Wie sollte ich das tun, wo ich jetzt fast kahl war?
    »Ich hasse sie«, keuchte ich. »Blöde, fette, angemalte Ziege. Ich hasse alle Friseusen.«
    »Hoffentlich hast du ihr kein Trinkgeld gegeben«, sagte Helen.
    »Sei doch nicht so blöd«, schluchzte ich. »Natürlich habe ich ihr ein Trinkgeld gegeben.«
    Ich hätte Jasmine gar nichts geben sollen, oder ihr höchstens ein blaues Auge verpassen sollen, aber ich konnte nicht anders. Ich hatte sogar: »Ja, sehr schön!« gemurmelt, als sie das Spielchen mit dem einen Spiegel vorne und dem anderen hinten machte.
    Ich hatte es bis vor die Tür geschafft, bevor die Tränen zu laufen begannen. Ich stand an der Bushaltestelle und weinte und fühlte mich so nackt ohne mein Haar. Ich war mir sicher, dass alle Welt mich anstarrte, und diesmal hatte ich Grund für meine Paranoia.
    »Guck mal die da, mit der komischen Frisur!«, hörte ich jemanden sagen. Und als ich mich umdrehte, war es eine Gruppe von Schuljungen, die mich musterten und sich einen abkicherten. Vierzehnjährige, die Hormone in Aufruhr, und sie lachten mich aus!
    »Vorher war es so schön«, schluchzte ich weiter.
    »Was war schön?«, fragte Helen.
    »Mein Haar«, weinte ich. »Bis diese Tucke es zwischen die Finger kriegte.«
    »Na ja, es war in Ordnung«, sagte Helen, »aber als schön hätte ich es jetzt nicht bezeichnet...«
    »Und dann haben sie mir noch nicht mal Hellos zu lesen gegeben«, sagte ich unter Tränen.
    »Gemeine Bande«, sagte Helen mitleidig.
    »Und was es gekostet hat!«, kreischte ich. »Die haben mir nicht nur meine Haare geraubt.«
    »Weiß du, an wen du mich erinnerst?«, sagte Helen nachdenklich.
    »An wen?«, fragte ich zitternd und hoffte auf Vergebung.
    »Brenda Fricker.«
    »O neiiiin.«
    »Du weißt schon, in dem Film, in dem sie die Mami gespielt hat«, sagte sie.
    Ich guckte wieder in den Spiegel. »Du hast recht«, sagte ich und heulte von neuem los. Fast war ich froh, dass die Lage so hoffnungslos war. Das legitimierte mein Verhalten gewissermaßen.
    Als Mum und Dad zurückkamen, sollten sie ihre Meinung zu meinem vernichteten Haar abgeben.
    Mum sagte zweifelnd: »Es wächst ja wieder.«
    Dad sagte stolz und liebevoll: »Du siehst deiner Mutter jeden Tag ähnlicher.« Worauf ich wieder in Tränen ausbrach.
    »Weißt du, an wen du mich erinnerst?«, sagte Mum.
    »Wenn du sagst, an Brenda Fricker, bring ich mich um«, warnte ich sie mit rot geweinten Augen.
    »Nein, doch nicht die«, sagte Mum freundlich. »Nein, wie heißt sie denn nur? Eine Schauspielerin. Wie heißt sie denn?«
    »Audrey Hepburn?«, fragte ich voller Hoffnung.
    »Nein.« Mum wedelte frustriert mit den Händen. »Ach, wie heißt sie nur?«
    Ich wusste nicht, ob sie wusste, wer Linda Fiorentina war.
    »Linda Fiorentina?«, sagte ich wagemutig. (Einmal hatte ein Mann auf einer Party

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