Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Rachel im Wunderland: Roman (German Edition)

Rachel im Wunderland: Roman (German Edition)

Titel: Rachel im Wunderland: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marian Keyes
Vom Netzwerk:
setzte mir einen Schuss, so wie es laut den Zeitungsberichten laufend passierte. (Den Dealer, der Gratisproben und Drogen zu Testzwecken verteilte, wollte ich mal kennenlernen, aber den Boulevardblättern zufolge gab es ihn.) Oder vielleicht sollte ich die Schule in diesem Bezirk suchen, vor denen natürlich reihenweise Dealer herumstehen und ihre Ware feilbieten würden, wie auf einem marokkanischen Basar.
    Die größten Chancen hatte ich vermutlich bei der Schule, vor der ich ein paar Jugendliche in coolen Klamotten sah. Doch als ich versuchte, mit ihnen Blickkontakt aufzunehmen, wendeten sie sich alle grinsend und errötend ab.
    Ich bin nicht scharf auf euch, wollte ich ihnen entgegenschreien, ich will nur Kokain kaufen. Da wird ständig davon gesprochen, dass Dublin ein schlimmes Drogenproblem hat, dachte ich wütend. Aber das Problem besteht einzig und allein darin, dass man nirgends welche beschaffen kann!
    Schließlich, nachdem ich eine ganze Stunde auf und ab gelaufen war, zwang ich mich, stehenzubleiben und zu warten. Einfach nur zu warten. An der Ecke zu stehen und verzweifelt und bedürftig auszusehen.
    Die Leute musterten mich misstrauisch. Es war schrecklich. Sie wussten alle, warum ich da stand, und ihr Abscheu war spürbar.
    Um weniger aufzufallen, setzte ich mich auf die schmutzstarrenden Stufen eines Wohnblocks, der wie ein umkämpftes Gebiet aussah. Doch dann kam eine Frau mit mehreren Kindern aus dem Haus und sagte barsch: »Machen Sie Platz!« Ich stand auf. Angst mischte sich in mein mich treibendes Bedürfnis. Die Frau war hart, verbittert und einschüchternd, und wahrscheinlich gab es viele von ihrer Sorte. Ich hatte von den privaten Wachleuten gehört, die in Gegenden wie dieser eingesetzt wurden. Und die malten nicht nur Bilder mit durchgestrichenen Ampullen an die Häusergiebel. Häufig wurden Leute in der Drogenszene krankenhausreif geschlagen. Ganz zu schweigen von den jährlichen Schießereien.
    Wieder drängte mich eine Stimme in meinem Kopf, nach Hause zu gehen. Ich fühlte mich schmutzig, ich schämte mich, und ich fürchtete mich so sehr, dass sich meine Kopfhaut zusammenzog. Doch so sehr es mir graute, während ich hier stand und wartete, noch mehr Angst hatte ich davor zu gehen.
    Ich stellte mich hin, lehnte mich an die Mauer, warf jedem Vorübergehenden einen bedürftigen Blick zu und wand mich innerlich, wenn sie mich mit verächtlichem Gesichtsausdruck musterten.
    Ich weiß nicht, wie lange ich so dagestanden hatte, mich vor Verzweiflung krümmend, als endlich ein Junge auf mich zukam. In wenigen Sätzen und in einer Sprache, die er zu verstehen schien, vermittelte ich ihm, dass ich eine große Menge Kokain brauchte, und er schien in der Lage zu sein, mir zu helfen.
    »Und ich brauche Downers«, fügte ich hinzu.
    »Temazepam?«
    »Gut.«
    »Das mit dem Koks dauert eine Weile.«
    »Wie lange?«, fragte ich beklommen.
    »Zwei Stunden vielleicht.«
    »Okay«, sagte ich zögernd.
    »Und ich kriege einen Anteil«, sagte er.
    »Okay«, sagte ich wieder.
    »Warte in dem Pub am Ende der Straße.«
    Er nahm mir achtzig Pfund ab, was ein unglaublicher Schwindel war, aber ich war nicht in einer Lage, in der ich verhandeln konnte.
    Wie ich das alles hasse.
    Ich ging in den Pub. Es blieb mir nichts anderes übrig als zu warten.
    Im Pub waren nur wenige Gäste, alles Männer. Es herrschte eine feindselige Macho-Atmosphäre, mit der man mir deutlich zu verstehen gab, dass ich hier nicht erwünscht war. Jedes Gespräch verstummte, als ich einen Brandy bestellte. Einen schrecklichen Moment lang dachte ich, der Wirt würde mich nicht bedienen.
    Nervös setzte ich mich in die hinterste Ecke. Ich hoffte, dass der Brandy mein aufgewühltes Inneres beruhigen würde. Aber als ich ihn ausgetrunken hatte, fühlte ich mich immer noch schrecklich, also bestellte ich einen zweiten. Und einen dritten.
    Ich vermied jeden Blickkontakt und wünschte mir, die Zeit möge rasch vergehen, während ich mit den Fingern auf den braunen Resopaltisch trommelte. Zwischendurch, als bräche die Sonne durch dunkle Wolken, fiel mir immer wieder ein, dass ich in kurzer Zeit die stolze Besitzerin von einer Menge Kokain sein würde. Vielleicht. Der Gedanke gab mir ein wohliges Gefühl, doch dann wurde ich wieder in die Hölle meiner sich jagenden Gedanken gestürzt.
    Immer wenn ich an meine schreckliche Nacht mit Chris dachte oder an das, was meine Mutter gesagt hatte, nahm ich einen Schluck Brandy und konzentrierte mich auf

Weitere Kostenlose Bücher