Rachel im Wunderland: Roman (German Edition)
das Gefühl, das ich haben würde, wenn ich erst mal das Kokain in Händen hielt.
Nach einer Ewigkeit kam ein Mann an meinen Tisch und fragte mich, ob ich Methadon kaufen wollte. So begierig ich auch war, in den Zustand des Vergessens einzutreten, wusste ich doch, dass Methadon für die Uneingeweihten tödlich sein konnte. So verzweifelt war ich nun auch nicht. Noch nicht.
»Danke, aber jemand besorgt mir schon was«, erklärte ich und hatte furchtbare Angst, ihn zu beleidigen.
»Ah, das ist wahrscheinlich Tiernan«, sagte der Mann.
»Ich weiß nicht, wie er heißt«, sagte ich.
»Es ist Tiernan.«
Im Laufe der nächsten Stunde versuchte jeder in dem Pub, mir Methadon zu verkaufen. Offenbar hatte es in diesem Jahr eine Bombenernte gegeben.
Meine Augen waren ständig auf die Tür gerichtet, während ich auf Tiernan wartete. Aber er kam nicht.
Trotz des Brandys kam meine Panik wieder hoch. Was sollte ich tun? Wie würde ich jetzt noch an Drogen kommen können, wo ich so viel Geld weggegeben hatte?
Dann bahnte sich ein anderer Gedanke seinen Weg in mein Bewusstsein. Die Möglichkeit, dass Tiernan mit dem Geld durchgebrannt war, schien mir plötzlich wie eine barmherzige Rettung. Du könntest jetzt nach Hause gehen und die Sache zwischen dir und deiner Mutter klären. Die Situation ist nicht unumkehrbar.
Doch dann schlugen meine Gedanken wieder eine andere Richtung ein. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass sich die Dinge jemals klären lassen würden. Ich war auf dem Weg, den ich gewählt hatte, schon zu weit gegangen, als dass ich umkehren konnte. Ich bestellte noch einen Brandy.
Damit ich mit meinen Gedanken nicht allein war, hörte ich den Gesprächen der anderen zu.
Die waren unglaublich langweilig, sie drehten sich um Maschinen und bestanden aus Sätzen wie: »... dann hab ich sie zu meinem Schwager gebracht, damit er sich das mal anguckt...«
Manchmal wurde es interessanter. Jemand unterhielt sich über Ecstasy.
»Ich tausche zwei Mad Bastards gegen einen Holy Ghost«, bot ein tätowierter Mann einem rauen jungen Burschen an.
»Nein.« Der junge Bursche schüttelte heftig den Kopf. »Ich behalte meinen Holy Ghost.«
»Du willst nicht tauschen?«
»Nein.«
»Auch nicht gegen zwei Bastards?«
»Auch nicht gegen zwei Bastards.«
»Siehst du«, sagte der tätowierte Mann zu dem anderen tätowierten Mann neben sich, »alle wollen lieber einen Holy Ghost als zwei Mad Bastards. Von Holy Ghost kriegt man einen reineren Trip.«
Zumindest glaube ich, dass er das gesagt hat.
Gegen zwei Uhr – obwohl die Zeit zwischen Trauma und Brandy jede Bedeutung verloren hatte – kam Tiernan wieder. Ich hatte ihn aufgegeben und glaubte deshalb, ich hätte Halluzinationen. Ich hätte ihn küssen mögen, so glücklich war ich.
Außerdem war ich ziemlich betrunken.
»Hast du es bekommen ...?«, fragte ich besorgt. Ich atmete stoßweise, als er einen kleinen Beutel mit weißem Pulver vor mir schwenkte.
Mein Herz machte vor Freude einen Sprung, und ich wollte den Beutel in die Hand nehmen und ihn halten, wie eine Mutter ihr Neugeborenes halten möchte. Aber Tiernan war sehr besitzergreifend.
»Ich kriege eine Line«, sagte er und schwenkte den Beutel, sodass ich ihn nicht erreichen konnte.
»Ist in Ordnung«, keuchte ich mit extremer Begierde.
Mach schon.
Vor den Augen aller im Pub legte er zwei fette Lines auf dem Resopaltisch zurecht.
Ich sah mich um, was die anderen machten, aber sie schienen gar nicht auf uns zu achten.
Er rollte eine Zehnpfundnote zusammen und sniffte die eine Line sauber hoch. Die größere von beiden, stellte ich verärgert fest.
Und dann war ich an der Reihe. Mein Herz raste, und mein Kopf neigte sich in freudiger Erregung. Ich beugte mich über das Kokain. Es war ein mystischer Augenblick.
Aber als ich gerade ansetzen wollte, hörte ich Josephines Stimme: »Sie waren dabei, sich mit Drogen umzubringen. Cloisters hat Ihnen gezeigt, dass Sie auch anders leben können. Sie können ohne Drogen glücklich sein.«
Ich zögerte. Tiernan sah mich fragend an.
Du brauchst das Zeug nicht.
Du kannst jetzt aufhören, und es wäre kein Schaden angerichtet.
Ich zögerte immer noch. In Cloisters hatte ich so viel gelernt, war so viel weiter mit mir selbst gekommen, hatte zugegeben, dass ich süchtig war, und mich auf ein besseres, freudvolleres, gesünderes und glücklicheres Leben gefreut. Wollte ich das alles wegwerfen? Wollte ich das wirklich?
Wollte ich es wirklich?
Ich sah auf das
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