Rachel im Wunderland: Roman (German Edition)
Vorsichtig sprachen wir über die Celtic Tigers, über ausländische Investitionen und das Pro-Kopf-Einkommen. Wir redeten wie zwei politische Beobachter im Fernsehen. Als sich die Gelegenheit ergab, einen Witz zu machen, ergriff ich sie in der Hoffnung, etwas wiedergutzumachen. Aber leider bietet eine gesunde Wirtschaft nur begrenzt Möglichkeiten für Scherze. Das Gespräch schleppte sich mühsam und stockend hin und kam nicht richtig in Schwung. Ich wollte nicht gehen, weil es tausendmal besser war, bei ihm zu sein, als nicht bei ihm zu sein, aber es war sagenhaft anstrengend.
Die Bedienung kam. Er bestellte noch ein Bier, und ich bestellte noch ein Wasser. Unsere Unterhaltung war unterbrochen worden, und in unser Schweigen hinein fragte Luke verlegen: »Trinkst du jetzt immer nur Wasser?«
»Ja.«
»Meine Güte, du hast dich wirklich verändert.« Er lächelte.
»Ja, das stimmt«, sagte ich ernst. Und dann sahen wir uns an, sahen uns richtig an. Die Jalousien waren plötzlich hochgezogen, und ich sah ihn, den alten Luke, meinen alten Luke, zum ersten Mal. Wir sahen einander lange in die Augen. Und ich war verwirrt, weil ich vergaß, dass es jetzt war und nicht damals.
»Na gut!« Er räusperte sich und endete den Moment. »Danke für deine Entschuldigung.«
Ich brachte ein kleines Lächeln zustande.
»Weißt du«, sagte er und wagte eine Annäherung, »ich dachte, du wolltest dich mit mir treffen, damit du mir die Hölle heißmachen könntest wegen der Sachen, die ich in deinem Reha-Zentrum da gesagt hatte.«
»Aber nein«, sagte ich, überrascht, dass er das für mein Motiv hielt, aber ich war auch froh, dass wir endlich darüber sprachen, warum wir eigentlich hier waren. Das Zahlungsbilanzdefizit war nicht unbedingt meine Stärke. »Du hattest recht mit allem, was du gesagt hast. Wenn du das nicht getan hättest, würde ich vielleicht heute immer noch meine Sucht leugnen.«
»Ich war mir sicher, dass du mich abgrundtief hassen würdest«, sagte er reumütig.
»Aber natürlich hasse ich dich nicht«, beharrte ich. Ich meine, ich hasste ihn ja auch nicht, jetzt jedenfalls nicht mehr.
»Wirklich nicht?«, fragte er, noch nicht überzeugt.
»Wirklich nicht«, beruhigte ich ihn. Es war schon seltsam, dass Luke sich Sorgen machte, ob ich ihn hasste.
»Wenn es dir ein Trost ist, es hat mich ganz verrückt gemacht, all das zu sagen.« Er seufzte. »Und dann dieser ganze Fragebogen.«
»Aber das musstest du tun«, erklärte ich ihm sanft. »Es war zu meinem Besten.«
»Mann, habe ich mich dafür gehasst«, sagte er darauf.
»Dazu bestand kein Grund«, beschwichtigte ich ihn.
»Ich habe mich trotzdem gehasst«, sagte er.
»Aber warum denn? Ich war schrecklich.«
»Ah, das warst du nicht«, sagte er.
»O doch.«
»O nein.«
»Doch.«
»Na, manchmal vielleicht, könnte man sagen«, stimmte er mir schließlich zu.
»Natürlich war ich schrecklich.« Ich lächelte, um zu verbergen, dass ich mich unbehaglich fühlte. »Und es war höchst anständig von dir, dass du dahin gekommen bist und das auf dich genommen hast, wo wir doch nicht verheiratet waren und keine ernste Beziehung hatten, und wo du nicht einmal verliebt in mich warst ...«
»He, aber ich war in dich verliebt«, unterbrach er mich in verletztem Ton.
»Das warst du nicht«, erinnerte ich ihn.
»Doch.«
»Luke«, erklärte ich geduldig, »ich will dir auch jetzt nicht die Hölle heißmachen, aber du hast vor meiner ganzen Gruppe gesagt, dass du mich nie geliebt hast. Dafür gibt es Zeugen«, setzte ich in dem Versuch, einen leichten Ton zu finden, noch hinzu.
»O Gott, das stimmt ja« sagte er und rieb sich das Kinn, eine Geste, die ich aus einem anderen Leben kannte. »Das stimmt. Natürlich.«
Er sah mich eindringlich an. »Ich hätte das nicht sagen sollen, Rachel, aber ich war so böse auf dich, wegen der Art, wie du mich behandelt hattest. Und wie du dich selbst behandelt hast.«
Ich schluckte. Es tat immer noch weh, ihn das sagen zu hören. Aber es tat gut zu wissen, dass er mich geliebt hatte.
»Komisch, findest du nicht?«, sagte Luke nachdenklich. »Wie die Zeit die Dinge verändert. Erst bin ich unheimlich wütend auf dich, und dann ist mehr als ein Jahr vergangen, und ich bin überhaupt nicht mehr böse.«
Gott sei Dank, dachte ich mit riesiger Erleichterung.
»Ich war zwar wütend auf dich, aber ich habe dich trotzdem geliebt!«, erklärte er mit ernster Miene. »Oder meinst du, ich wäre dreitausend Meilen angereist
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