Rachel im Wunderland: Roman (German Edition)
würdest.«
»Warum sollte ich nicht freundlich sein?«, fragte er ehrlich überrascht. »Ich bin freundlich.«
Natürlich war er das. Er war ein freundlicher Mann, und einst war er mein freundlicher Mann. Unter dem Gefühl des Verlusts schrumpfte ich.
»Ich hatte nicht geglaubt, dass mich das alles so traurig machen würde«, sagte ich.
»Ich schon.«
»Wirklich?« Ich war überrascht. »Darf ich mal fragen, warum du bereit warst, dich mit mir zu treffen?«
»Ich war neugierig, ich wollte sehen, ob du dich verändert hast. Und ich habe dich vermisst«, sagte er scherzhaft.
»Und habe ich mich verändert?«, fragte ich und überging den scherzhaften Ton.
»Es scheint so.« Er nickte. »Ich müsste eine Probefahrt mit dir machen, wenn ich es mit Sicherheit sagen wollte, aber es sieht so aus, als hättest du alle guten Seiten behalten und die schlechten abgelegt.«
Das machte mich stolz.
»Du siehst kaum anders aus«, sagte er nachdenklich. »Du bist immer noch ein Babe.«
»Und du bist immer noch ein prächtiger Mann.« Ich schaffte ein Grinsen, aber mein Magen fühlte sich an, als würde er auseinandergerissen.
Es kam nicht zu einer leidenschaftlichen Umarmung, nicht zu einem hektischen Griff über den Tisch. Der Zweck dieses Treffens war, die letzte, noch glühende Asche gründlich zu löschen, und nicht das Feuer neu zu entfachen.
»Ich muss jetzt gehen«, sagte ich. Ich wollte ihn nicht verlassen, aber ich konnte den Anblick der Zerstörung, die ich bewirkt hatte, nicht länger ertragen.
»Gut«, sagte er und stand auf. »Ich begleite dich noch.«
Ich wollte unbedingt wissen, ob er eine Freundin hatte. Als wir auf der Straße waren, versuchte ich, die Frage zu formulieren.
»Hast du ... ?«, begann ich und brach ab.
»Hast du ...?«, sagte ich noch einmal und kam wieder nicht weiter.
Vielleicht wäre es besser, es nicht zu wissen. Der Schmerz, zu wissen, dass er eine neue Freundin hatte, wäre unerträglich.
»Weißt du«, sagte er beiläufig, »seit du nicht mehr da bist, hatte ich keine Freundin mehr.«
In dem Moment glaubte ich an Gott.
»Pass auf dich auf«, sagte er unbeholfen, als wir vor meinem Hotel standen.
»Du auch«, sagte ich. Ich wünschte, ich wäre tot und er wäre fort.
»Sei gut zu dir.« Er zögerte noch.
»Das tue ich, du auch.«
Er bewegte seinen Arm nur einen Millimeter in meine Richtung, es war ein winziges Zucken, und dann, als wären wir von einer Kanone abgeschossen worden, lagen wir uns in den Armen. Seine Beine waren an meine gepresst, seine Arme lagen fest um meinen Rücken, mein Gesicht ruhte an seinem Hals, und ich saugte seinen Duft zum letzten Mal ein. Ich wünschte mir, es würde nie aufhören. Dann riss ich mich los und rannte ins Haus, ich drehte mich nicht mehr um. Fast hätte ich mir das Bein gebrochen, weil ich über Brad stolperte, die sich das Ganze mit zusammengekniffenen Augen angesehen hatte. Wahrscheinlich war sie jetzt nicht mehr meine Freundin.
Ich wusste, dass die Trauer vorübergehen würde, dass ich es überwinden würde.
Am schwersten fand ich, dass ich bis ganz zum Schluss gewartet und mir erst dann eingestanden hatte, wie sehr ich ihn liebte. Aber ich wusste, dass auch das vorbeigehen würde.
Ich werde nie wieder jemanden wie ihn kennenlernen , dachte ich fortwährend voller Trauer.
Vielleicht doch. Operation Harry.
Ich konnte nicht umhin, mich zu fragen, wie es wohl mit Luke gewesen wäre, wenn ich in der Zeit nicht dauernd vollgekokst gewesen wäre. Oder wenn wir uns jetzt zum ersten Mal begegnet wären und keine gemeinsame Vergangenheit hätten, die uns daran hinderte, eine gemeinsame Zukunft zu haben. Aber ich wusste, dass es keinen Sinn hatte, darüber nachzudenken. Man kann das, was geschehen ist, nicht mehr verändern. Das Beste, was ich tun konnte, war, die Dinge so zu nehmen wie sie waren.
Und wenn ich schon nicht den Hauptpreis bekommen hatte, so durfte ich doch wenigstens den Trostpreis mitnehmen. Hatte er nicht gesagt, dass er mich früher einmal geliebt hatte? Hatte er mir nicht verziehen? Hatte ich mich nicht wie eine verantwortungsbewusste Erwachsene verhalten? Waren wir nicht als Freunde auseinandergegangen?
Die Trauer, die ich spürte, war sowohl heilend als auch schmerzhaft. Ich hatte mich dem Teil meiner Vergangenheit gestellt, in dem ich den meisten Schaden angerichtet hatte. Ich hatte meine Fehltritte erkannt und den Mut gehabt, mich bei Luke dafür zu entschuldigen. Jetzt musste ich mich nicht jedes Mal
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