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Rachel im Wunderland: Roman (German Edition)

Rachel im Wunderland: Roman (German Edition)

Titel: Rachel im Wunderland: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marian Keyes
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ihrem Süßen in der Heimat zu sprechen. Aber das war jetzt egal. Furchtlos wählte ich Lukes Nummer, aber als es bei ihm klingelte, geriet ich in Panik, weil ich nicht wusste, was ich sagen sollte. Sollte ich sagen: »Luke, mach dich auf einen Schock gefasst«, oder: »Luke, rate mal, wer dran ist«, oder: »Luke, vielleicht hast du vergessen, wer ich bin.« Oder würde es eher so sein: »Luke, bitte, leg nicht gleich au...«
    Ich war so aufgeregt, dass ich es kaum glauben konnte, als sein Anrufbeantworter dran war. ( Living on a Prayer, Bon Jovi.) Nach all dieser Aufregung war er nicht mal da!
    Bitter enttäuscht, aber eindeutig auch erleichtert, legte ich auf.
    Wenigstens wusste ich, dass er noch in derselben Wohnung wohnte. Jedoch war ich nach den Qualen des Telefonanrufs völlig erschöpft, sodass ich zu dem Schluss kam, es wäre für meine Nerven vielleicht besser, wenn ich ihm schrieb. Außerdem konnte er dann schlecht auflegen.
    Nach hundertachtundsiebzig Versuchen hatte ich einen Brief verfasst, der freundlich und nicht anmaßend war und keinerlei Ansprüche erhob, alles im rechten Maß. In den meisten Entwürfen, die im Papierkorb landeten, hatte ich die Selbstbezichtigungen etwas übertrieben. (»Ich bin es nicht wert, auf dem Fußboden neben deinem Bett zu schlafen.«) Aber als ich meine Schuldgeständnisse in einem gemäßigteren Ton formulierte, wusste ich nicht, ob sie nicht zu kalt klangen, als täte es mir nicht richtig leid. Also musste ich die auch zusammenknüllen und an die Wand werfen.
    Und wie sollte ich den Brief schließen? »Mit freundlichem Gruß«? Oder: »Mit herzlichem Gruß«? Oder: »Danke, dass du dies gelesen hast«? Oder »Mit guten Wünschen« ? Oder: »Mit den besten Wünschen«? Oder: »Lieben Gruß«? Oder: »Alles Liebe«? »Ein kleiner Fick ist wohl nicht drin«? Welcher Schluss vermittelte das richtige Gefühl? Inzwischen war ich so verwirrt, dass ich nicht mehr wusste, welches Gefühl ich vermitteln wollte.
    Lieber Luke, schrieb ich in dem Brief, den ich schließlich abschickte. Du bist vielleicht überrascht, von mir zu hören. Ich bin für ein paar Monate wieder in NewYork und wäre Dir dankbar, wenn Du Zeit hättest, Dich mit mir zu treffen. Ich bin mir sehr bewusst, wie schlecht ich Dich in unserer gemeinsamen Zeit behandelt habe, und würde mich über eine Gelegenheit freuen, mich persönlich zu entschuldigen. Ich bin unter der obenstehenden Adresse erreichbar. Wenn Du nichts mehr mit mir zu tun haben willst, verstehe ich das voll und ganz. Mit freundlichem Gruß, Rachel (Walsh)
    Ich fand, dass es ein Eingeständnis war, ohne lächerlich zu klingen; dass es freundlich klang, ohne Anmaßung. Ich war ganz zufrieden damit, bis zu dem Moment, da ich ihn in den Briefkasten warf. Denn plötzlich erkannte ich, dass es der schlimmste Brief war, den ich je geschrieben hatte. Ich hatte alle Mühe, mich davon abzuhalten, dass ich herumlungerte, bis der Kasten geleert wurde, und den Brief wieder herausfischte.
    Ich hoffte inbrünstig, dass er antworten würde. Aber ich versuchte mich darauf gefasst zu machen, dass er es nicht tat. Es bestand durchaus die Möglichkeit, dass ich in seinem Leben nicht die gleiche wichtige Rolle spielte wie er in meinem. Wahrscheinlich konnte er sich kaum noch an mich erinnern.
    Es sei denn, er erinnerte sich nur zu gut und hasste mich aus tiefstem Herzen. In dem Fall würde ich auch nicht von ihm hören.
    An vier Tagen hintereinander hielt ich mich in der Nähe des Empfangs auf, wenn die Post kam, und an vier Tagen hintereinander musste ich mit leeren Händen abziehen.
    Aber am fünften Tag kam ich nach der Arbeit nach Hause und fand einen Brief vor, der unter meiner Tür hindurchgeschoben war. Keine Briefmarke. Persönlich abgeliefert.
    Luke hatte geantwortet.
    Ich hielt den Umschlag in meiner schwitzigen Hand und starrte ihn an. Ich hatte Angst, ihn aufzumachen. Wenigstens hatte er geschrieben, tröstete ich mich.
    Es sei denn, es war ein Blatt mit vier Wörtern: »Lass mich in Ruhe!«
    Plötzlich, wie wild, riss ich den Brief auf, so wie ein Tiger eine tote Antilope zerreißt. Ich zerrte den Umschlag auf. Und überflog den Brief mit rasendem Herzen.
    Er war kurz und knapp. Brüsk, könnte man sagen. Ja, sagte er, er würde mich gerne sehen. Wie wäre es an dem selben Abend um acht im Café Nero? Sollte mir das nicht passen, könnte ich ihm das auf seinem Anrufbeantworter mitteilen.
    Der Ton gefiel mir nicht. Ich fand ihn unfreundlich, nicht gerade

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