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Rachel im Wunderland: Roman (German Edition)

Rachel im Wunderland: Roman (German Edition)

Titel: Rachel im Wunderland: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marian Keyes
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hinzu.
    Ich bedauerte, dass ich das mit Prag überhaupt erwähnt hatte, weil es immer für große Aufregung sorgte, und in Cloisters war es nicht anders. Wenn man jemandem erzählt: »Ich habe in Prag gelebt«, muss man darauf vorbereitet sein, Fragen gestellt zu bekommen. Drei Fragen. Die Drei Gleichen Fragen. Jedes Mal . Es war nicht zum Aushalten. Wenn ich während meiner Zeit in Prag Ferien in Irland machte, musste ich mich wappnen, weil Die Drei Fragen wieder gestellt werden würden. Am Schluss hätte ich am liebsten fotokopierte Zettel verteilt, auf denen stand: »Erstens: Ja, Sie haben recht, Prag ist wunderschön. Zweitens: Nein, es gibt fast alles in den Geschäften, was man hier auch kaufen kann. Aber natürlich keine Kerrygold-Butter, hahaha.« (Die Frage nach der Butter machte mich wirklich sauer. Und wenn einer nicht nach Kerrygold fragte, dann war es Barry’s Tee.) »Drittens: Ja, Sie sollten wirklich einmal hinfahren, bevor die Amis es ganz vereinnahmt haben.«
    Wenn die Rede von Prag war, wurde mir immer wieder bewusst, was für eine Banausin ich war. Ich schämte mich, weil ich mich in Prag, das ja so schön und voller Atmosphäre ist, nicht richtig wohlgefühlt hatte. Das Leben dort war mir zu gesund, zu sportlich und zu wenig ausschweifend. Wäre an den Wochenenden seltener Skifahren und Wandern angesagt gewesen und hätte man stattdessen häufiger ein paar Nächte in einigen Clubs durchgemacht, hätte es mir sicherlich besser gefallen.
    Während Eddie, der mit dem knallroten Gesicht, mich über die Preise in Prag ausfragte, kam der gutaussehende Jüngling in den Raum.
    »Hier kommt Christy«, rief ein Mann mit üppigem, schwarzem Haar und einem riesigen Stalin-Schnurrbart, der seltsamerweise grau war. So wie er den Namen aussprach, gab er mir zu verstehen, dass er ein waschechter Dubliner war. Christy suchte sich in einiger Entfernung von mir einen Platz. Das brachte mich dermaßen durcheinander, dass ich den Faden verlor und Eddie erzählte, das Bier sei in Prag viel teurer als in Irland. Was natürlich nicht stimmte. Er sah mich verblüfft an und setzte seine Befragung in einem schärferen Ton fort.
    »Wodka?«, fragte er.
    »Was ist damit?«
    »Teurer oder billiger?«
    »Billiger.«
    »Whiskey?«
    »Teurer.«
    »Bacardi?«
    »Eh ... billiger, glaube ich.«
    »Aber warum sollte Bacardi billiger sein und Whiskey teurer?«, fragte er.
    Ich redete mich irgendwie heraus. Meine ganze Aufmerksamkeit galt Christy den ich gründlich, wenn auch aus dem Augenwinkel, musterte. Mein erster Eindruck war richtig gewesen: Er sah tatsächlich gut aus. Selbst außerhalb von Cloisters würde man ihn gutaussehend nennen. Seine Augen waren von einem durchdringenden hellen Blau, als wäre er zu lange in gechlortem Wasser gewesen.
    Eine kleine Stimme in mir gab zu bedenken, dass ich Luke lieber mochte, aber ich brachte sie umgehend zum Schweigen. Ich nahm mir vor, mich in diesen Christy zu verknallen, ob mir das nun gefiel oder nicht. Ich wollte unbedingt den Schmerz auslöschen, den Luke verursacht hatte, und das war am einfachsten, wenn ich mich auf einen anderen stürzte. Es war einfach ein Zufall und ein Glück, dass Christy so gutaussehend war, dass ich mein Auge gar nicht wieder von ihm abwenden konnte. (Ich konnte leider nur eins für ihn erübrigen, weil Eddie mich immer noch ins Gespräch verwickelt hatte.)
    Ich sah Christy aus dem Augenwinkel an, während er mit dem Mann mit dem Stalin-Schnurrbart sprach. Er hatte einen Mund wie David Allen, der Komiker.
    Ein David-Allen-Mund ist sagenhaft attraktiv bei einem Mann. Er ist ungewöhnlich, weil er aussieht, als wäre er ein bisschen zu groß für das Gesicht, in das er gehört. Aber auf äußerst anziehende Weise. Ein lebhafter Mund, dessen Enden sich nach oben oder nach unten bewegen, als hätten sie ein Eigenleben. Menschen mit einem David-Allen-Mund wirken immer ein bisschen spöttisch.
    Ich fuhr mit Christys Begutachtung fort. Selbst sein Haar sah gut aus. Weizenfarben, gut geschnitten.
    Trotz seines lebhaften Mundes sah er aus wie ein Mann, jemand, auf den man sich verlassen konnte. Aber nicht wie einer, bei dem man sich darauf verlassen konnte, dass er einen nicht anrief. Seine Verlässlichkeit war von anderer Art, nämlich der eines Menschen, der einen aus einem brennenden Gebäude retten würde.
    Ich fand ihn toll, abgesehen natürlich von seiner Größe. Als er aufstand, um sich die Teekanne zu holen, sah ich, dass er nicht größer war als ich. Was

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